7. Bildungswesen

7.1 Ziele

Nachdem wir uns im vorigen Kapitel mit dem Gesundheitswesen beschäftigt haben, wenden wir uns jetzt einem System zu, das noch wichtiger ist, und für die allermeisten Leser auch anschaulicher sein sollte.

Anschaulicher, weil wir uns nicht ausmalen müssen, welche Auswirkungen veränderte Arbeitsbedingungen der Ärzte auf uns Patienten haben werden. Stattdessen stehen in diesem Kapitel die Schüler als die Lernenden im Zentrum. Die Lehrer sind als Organisatoren und Wissensvermittler natürlich auch wichtig. Aber die Schüler sind diejenigen, die die eigentliche schwere Arbeit tun: Neues zu lernen. Und jeder von uns hat so einige Jahre als Schüler zugebracht, so dass wir uns alle gut vorstellen können, wie gut ein bestimmtes Lernumfeld für uns funktioniert hätte.

Wichtiger, weil es absolut entscheidend dafür ist, ob eine Gesellschaft funktioniert. Wenn das Gesundheitssystem schlecht ist, dann ist das tragisch, aufgrund all des grundlos verursachten Leids und der kürzeren Lebensspannen. Aber solange es keine Massenproteste deswegen gibt, funktioniert die Gesellschaft ja trotzdem. Ein schlechtes Bildungssystem dagegen kann die Gesellschaft in den Abgrund reißen, ganz ohne Proteste. Wenn keine gut ausgebildeten jungen Menschen auf den Arbeitsmarkt kommen, dann schrumpft die Wirtschaft, weil überall Fachkräfte fehlen. Wenn Kinder kein kritisches Denken lernen, dann glauben sie als Erwachsene Fake News, und die daraus resultierenden Konflikte können Familien, Freunde und am Ende die gesamte Gesellschaft auseinanderreißen. Wenn Kinder nicht lernen, wie sie mit Extremsituationen wie medizinischen Notfällen, Naturkatastrophen und Krieg angemessen umgehen sollen, dann reagiert die gesamte Gesellschaft mit Panik, wenn ein solches Szenario tatsächlich eintrifft.

Wir haben gesagt, dass unsere Zukunftsvisionen widerstandsfähig sein sollen. Das heißt, dass unser Bildungssystem das notwendige Wissen vermittelt, damit die Kinder später auch mit widrigen Umständen gut fertig werden. Aber auch abseits von Extremsituationen: Ich bin überzeugt davon, dass uns das Bildungswesen weit besser auf das Leben vorbereiten kann, als es das in Deutschland aktuell tut.36

Aufgrund dieser Wichtigkeit des Bildungssystems möchte ich eines gleich hier zu Beginn festhalten: Es ist angemessen und richtig, mehr für das Bildungssystem auszugeben, als wir dies in Deutschland aktuell tun. Bei den Zukunftsvisionen „Bedingungsloses Grundeinkommen“ und „Gesundheitswesen“ habe ich bestehende Ausgaben anders eingesetzt, dank höherer Effizienz sollten sie sogar Geld einsparen können. Das Bildungswesen ist so zentral, dass hier tatsächlich mehr Geld ausgegeben werden sollte.

Dieses Geld will ich vor allem dafür einsetzen, mehr Lehrkräfte auszubilden und einzustellen, um so einen besseren Schlüssel von Schülern je Lehrkraft zu erreichen. In Deutschland ist die durchschnittliche Schulklasse etwa 24 Schüler groß, der Schüler zu Lehrer Schlüssel liegt also bei 24:1.[34]
Ich strebe in dieser Zukunftsvision dagegen Schulklassen an, die 20 Schüler groß sind, aber stets von zwei Lehrkräften gleichzeitig betreut werden, was ein Verhältnis von 10:1 von Schülern zu Lehrern bedeutet.
Im Gegenzug werden viele Aufgaben der Lehrer abseits des eigentlichen Unterrichts auf andere Schultern verteilt. Dank dessen werden nicht 2,4 Mal so viele Lehrer wie aktuell benötigt, da der Unterrichtsanteil ihrer Arbeitszeit höher ist (in Deutschland waren es 2016 nur 35%![35]).
Dennoch, wir werden mehr Geld für mehr Lehrer und für das Bildungssystem insgesamt ausgeben.

Aktuell ist Bildung in Deutschland Ländersache. Was dazu führt, dass Kinder bei einem Umzug von einem Bundesland in ein anderes große Probleme bekommen, sich auf das neue Schulsystem einzustellen und den Stoff nachzuarbeiten, der ihnen jetzt plötzlich fehlt (aufgrund unterschiedlicher Lehrpläne). Und auf dem Arbeitsmarkt müssen dann die Schulabschlüsse der verschiedenen Bundesländer miteinander verglichen werden, obwohl sie auf unterschiedliche Weise entstanden sind.
Das halte ich alles nicht für sinnvoll. Ich möchte hier versuchen, ein einheitliches, gutes System zu entwerfen, welches dann in der gesamten Gesellschaft angewendet wird. Solange man im gleichen Staat bleibt, sollte ein Umzug für die Kinder so schmerzlos sein wie nur möglich. Und Abschlüsse von überall sollten direkt miteinander vergleichbar sein.

Für das wichtigste Ziel meines neuen Schulsystems halte ich Flexibilität. In Deutschland gibt es das in begrenztem Maße: Das Kind geht auf die Hauptschule, Realschule oder auf das Gymnasium. Je nachdem, welche Schulnoten es davor hatte und was die Lehrer empfehlen. Es gibt Schulen mit verschiedenen Profilen, wie musisch oder naturwissenschaftlich. Das Kind kann aus zwei oder drei Fremdsprachen auswählen. Und in späteren Jahren kann es bestimmte Fächer abwählen.

Aber abseits dieser einzelnen, nach und nach hinzugefügten Wahlmöglichkeiten, lernt der Klassenverband sozusagen im Gleichschritt, alle den gleichen Stoff. Wie gut oder schlecht man ist, ändert die Noten, aber an der Schullaufbahn sonst erst einmal gar nichts. Und die anderen Wahlmöglichkeiten wie Schulform und Schulprofil, sind großteils einzelne, dauerhafte Entscheidungen. Sobald man erst einmal auf eine bestimmte Schule geht, ist es sehr aufwendig, sie wieder zu wechseln. Und dabei verliert das Kind natürlich auch alle Freunde, die es an der alten Schule gewonnen hatte.

Statt Flexibilität nach und nach hinzuzufügen, möchte ich versuchen, sie von Anfang an im Kern des Schulwesens zu verankern. Wenn es gelingt, Schüler nach ihren Fähigkeiten schneller oder langsamer lernen zu lassen, dann braucht es auch keine Schulnoten mehr (die später so oder so niemanden mehr interessieren). Stattdessen schließt ein begabtes oder fleißiges Kind den Stoff eher ab und kann sich somit schneller neuem Lernstoff zuwenden.

Ich möchte noch einmal anmerken, dass auch an diesem Entwurf nichts unveränderbar sein wird. Das Ziel ist es, sinnvolle Annahmen zu treffen, mit denen weiter zu malen, und zu schauen welches Bild daraus entsteht. Wenn man dann tatsächlich die Umsetzung angeht, wird man sich natürlich die konkreten Umstände ansehen und das Bild entsprechend anpassen.

Welche Kernelemente diese Zukunftsvision prägen, sollte klar genug werden, und ich werde es in meiner Beschreibung auch herausstreichen.

Mit diesen Zielen vor Augen, gehen wir es an!