8. Infrastruktur
8.3 PD-System
Der Schukostecker ist jetzt ziemlich genau 100 Jahre alt (1925 erstmals öffentlich präsentiert, 1929 zum Patent angemeldet). Er dient dem Zweck, die 230V Wechselspannung unseres Stromnetzes sicher im Haushalt nutzbar zu machen. Indem die Kontakte versenkt sind und Fehlerströme über den Schutzkontakt (Erdung) abgeleitet werden. Wobei das mit der Sicherheit sehr relativ ist: Eltern müssen ihre Wohnung trotzdem kindersicher machen, indem sie Kindersicherungen an alle Steckdosen anbringen.
Diese Stromsteckerform ist in den meisten europäischen und einigen asiatischen Ländern der Standard. Andere Länder haben andere Steckerformen. Aber sie sind alle in der Frühzeit der Elektrifizierung entstanden und dienen alle dem gleichen Zweck: Wechselstrom sicher in Wohnungen bereitzustellen. Die einzige Intelligenz, die sie bieten ist, dass die Sicherung des Stromkreises kommt, falls zu viel Strom abgerufen wird oder Strom über einen lebenden Körper abfließt.
Nun sind seitdem 100 Jahre rasanten technischen Fortschritts vergangen, und unsere elektrischen Geräte, Wege der Stromerzeugung und Möglichkeiten der Stromsteuerung haben sich massiv gewandelt.
Daher möchte ich im Folgenden eine Zukunftsvision entwerfen, wie man Strom in Gebäuden anders verteilt. Denn vermutlich gibt es hier eine Menge Raum für Verbesserungen.
Die erste grundlegende Frage, die ich dafür beantworten muss, ist diese: Wechselstrom oder Gleichstrom? Im "Stromkrieg" um 1890 zwischen Edison und Westinghouse hat sich Westinghouse mit Wechselstrom durchsetzen können. Und für die großflächige Verteilung will daran auch niemand rütteln.48 Dank simpler Hoch- und Runtertransformation der Spannungslevel lässt sich Wechselstrom günstiger und mit geringeren Verlusten über große Entfernungen übertragen.
Anders sieht es dagegen mit dem Strombedarf in Endgeräten aus. In gewerblichen Gebäuden wurde bereits 2015 über 80% allen Stroms in Form von Gleichstrom verbraucht.[41] Und dieser Anteil steigt seither nur weiter an. Was bedeutet, dass jede LED, jeder Monitor, jeder Laptop und jedes andere Gerät mit einem Schaltkreis ein eigenes Netzteil benötigt, um die 230V Wechselstrom, die aus der Steckdose kommen, in Gleichstrom umzuwandeln.
All diese Netzteile haben dabei eine ganze Reihe von Nachteilen:
• Sie benötigen Metalle in ihrer Produktion, tragen also deutlich zum Ressourcenverbrauch der Menschheit bei.
• Sie machen die Geräte schwerer und teurer.
• Sie sind Verschleißteile und in vielen Fällen das erste, was kaputtgeht. Was dann wieder zu mehr Kosten und mehr Ressourcenverbrauch führt.
• Viele Geräte sind meist im Standbymodus und verbrauchen dann sehr wenig Strom. In diesem Zustand ist die Wandlung von Wechselstrom zu Gleichstrom (AC/DC) extrem ineffizient und trägt stark zum Gesamtenergieverbrauch bei.[42]
Würde in Wohnungen und Büroräumen dagegen Gleichstrom aus der Steckdose kommen, ließen sich all diese Nachteile vermeiden: Die Umwandlung von Wechsel- zu Gleichstrom könnte zentral für mehrere Räume und dadurch mit viel höherer Effizienz erfolgen. Auch wäre dafür nur ein zentraler Konverter nötig, statt ein Netzteil pro Gerät, was Ressourcenverbrauch, Kosten und Gewicht der Geräte senken und ihre Langlebigkeit erhöhen würde.
Eine offensichtliche Gegenfrage ist hier, dass verschiedene Geräte intern ja ganz verschiedene Spannungslevel benötigen. So brauchen elektrische Schaltungen oft Spannungen von um die 1,5 Volt. Übersetzung von Gleichstrom auf andere Spannungslevel soll doch schwierig sein! Ist das nicht der ganze Grund dafür, dass wir Wechselspannung für unser Stromnetz nutzen?
Hier macht es unerwarteterweise einen großen Unterschied, ob man viel Strom transformieren möchte oder nur ein bisschen. Für große Strommengen, wie im Stromübertragungsnetz, sind Transformatoren klar die beste Wahl. Sie können riesige Strommengen mit hoher Effizienz auf andere Spannungslevel bringen, ohne dafür komplexe Steuerung zu benötigen. Die Übersetzung hängt einfach von der Zahl der Spulenwindungen ab. Keine Elektronik, keine beweglichen Teile, nichts, was leicht kaputt gehen kann.
Konverter, um große Mengen an Gleichstrom auf andere Spannungslevel zu transformieren, sind teurer, weil sie Kondensatoren und Schaltungen benötigen. Je mehr Strom transformiert werden soll, desto größer/zahlreicher müssen diese Komponenten sein, um am Ende wieder schwankungsfreien Gleichstrom zu erhalten...
Sind die Strommengen dagegen sehr klein, wie in elektrischen Geräten, und ist vorher genau bekannt, wie hoch die benötigte Stromqualität ist (Wie viel Schwankung ist unproblematisch?), dann ist das mit einem Abwärtswandler leicht und billig erreichbar. Das ist einfach eine kleine Schaltung, die direkt als Teil eines Mikrochips verbaut sein kann. Sie verbraucht so gut wie kein Material und Gewicht, kostet fast nichts, und sollte auch nicht schneller kaputt gehen als der Rest der Schaltung (wobei das Risiko durch fehlerhafte Eingangsspannungen natürlich vorhanden ist). Und sie ist viel effizienter, wenn das Gerät im Standbybetrieb nur wenige Milliwatt benötigt.
In Ordnung, Gleichstrom in der Wohnung ist also gesetzt. Wie sieht es mit Datenübertragung aus? Schließlich ist ja überall vom intelligenten Stromnetz (Smart Grid) die Rede. Sollten die Geräte irgend etwas an den zentralen Konverter zurück übermitteln?
Ich denke, diese Frage greift noch zu kurz: Der „Power over Ethernet“ (PoE) Standard beweist, dass es gut möglich ist, über die gleichen Kabel, die den Strom transportieren, zusätzlich auch Daten zu übertragen.
Und es ist doch zum Beispiel super praktisch, wenn man seinen Laptop nur noch mit einem einzelnen USB-C Kabel an die Dockingstation anschließen muss. Und darüber wird er dann nicht nur mit Strom versorgt, sondern es ist gleichzeitig auch der Internetanschluss, sowie die Verbindung mit dem externen Monitor, der Maus und dem Drucker.
Es wäre doch super, wenn jedes Gerät über seinen Stromanschluss nicht nur mit Energie versorgt, sondern auch mit der Heimautomatisierung verbunden wäre, ohne dafür einen eigenen WLAN-Chip zu benötigen. Das hält die Frequenzbereiche für die Geräte frei, die sie wirklich benötigen, vermeidet Verbindungsprobleme wegen schlechter Signalqualität, erspart es, jedes Gerät erst im richtigen drahtlosen Netzwerk anmelden zu müssen (SSID), und es spart Gewicht und Kosten.
Wenn Geräte so oder so mit einem Kabel angebunden sind, wäre es töricht, das nicht auch für die Datenübertragung auszunutzen.
Für USB ist alle paar Jahre ein neuer Steckertyp erschienen (USB-A/B/C, samt Mini- und Mikrovarianten), und während bei Ethernetkabeln (RJ45) der Formfaktor gleich geblieben ist, gibt es dort viele verschiedene Kabeltypen.
Wir dagegen wollen auf jeden Fall vermeiden, die Stromverkablung eines Hauses bereits nach wenigen Jahren erneuern zu müssen, weil sich die Technologie weiterentwickelt hat. Wände aufzureißen, um neue Kabel zu verlegen, ist ein riesiger Aufwand!
Damit haben wir jetzt eine grobe Vorstellung davon, welche Anforderungen das neue System erfüllen muss.
Glücklicherweise muss ich für seinen Entwurf nicht bei null beginnen, sondern kann mir bei USB und Ethernet (mit PoE) abschauen, was gut möglich ist, und anhand unserer Anforderungen mischen.
Noch lieber wäre es mir, eines der beiden Systeme würde für die Anforderungen einfach passen, so wie es ist. Aber leider sind sie beide für andere Anwendungsfälle konzipiert worden und haben zu große Nachteile, würde man sie unverändert übernehmen.
Um die Dinge bei sinnvollen Namen nennen zu können, gebe ich dem gesamten neuen Stromsystem, samt Steckerform und Protokollen, den Namen PD-System, wobei „PD“, für „Power and Data“ (Strom und Daten) steht, mit „Power“ zuerst genannt, um zu zeigen, dass darauf der Fokus liegt.
Als Formfaktor für die PD-Kabel wähle ich, um Falschanschlüsse zu vermeiden, nicht exakt USB-C, aber etwas nach dem gleichen Prinzip und in ähnlicher Größe.49 USB-C hat sich als Formfaktor bewährt, vor allem weil es für kleine und dünne Geräte gut funktioniert (z.B. Smartphones). Es wird auch sehr geschätzt, dass es nicht falsch herum eingesteckt werden kann.
Der PD-Stecker beinhaltet elektrische Kontakte für mehrere Aderpaare, über die Strom und/oder Daten übertragen werden können. Welches Aderpaar dabei wofür genutzt wird, kann sich je nach Anwendungsfall unterscheiden, und die Menge der Möglichkeiten wird mit späteren Versionen anwachsen. Wir werden nicht die komplette Breite des PD-Steckers nutzen, so dass wir selbst die Anzahl der Adern erhöhen können, ohne dafür ein neues Steckerformat zu benötigen. Der immer gleiche Stecker ist also sehr flexibel einsetzbar und sollte auch zukünftig nicht verändert werden müssen.
Den exakten Aufbau und das exakte Protokoll der PD-Stecker und PD-Kabel möchte ich nicht festlegen. Es gibt nicht umsonst Gremien von Experten, die das über viele Jahre für USB und Ethernet ausgearbeitet haben.
Aber irgend etwas muss ich dennoch vorschlagen, auch wenn es sich durch Verbesserungen dieser Zukunftsvision definitiv ändern wird. Einfach, um zu zeigen, dass die Eigenschaften des PD-Netzes keine Magie sind, sondern tatsächlich erreichbar. Außerdem glaube ich schon, dass die Tatsache, keine Kompatibilität zu älteren Versionen wahren zu müssen (da ich ja die erste Version entwerfe), sehr dabei hilft, es einfach und effizient zu halten.
Für diejenigen, die die folgende Box lesen, weil sie die technischen Details interessieren, gilt daher: Lest sie mit dieser Einschränkung im Kopf. Es würde funktionieren, ist aber sicher verbesserungsfähig...
PD-Kabel
Wie viele Aderpaare sollten es sein? RJ45 (Ethernet) hat vier (acht Pins50), USB-C hat 24 Pins. Mehr Aderpaare bedeuten teurere Kabel. Für USB ist das nicht so wichtig, da es für kurze Strecken gedacht ist. PD-Kabel sollen aber bis zu 50m lang sein können (bei Ethernet sind es bis zu 100m).
Ich orientiere mich daher stärker am Ethernet und lege fest: vier Aderpaare (acht Pins). Allerdings müssen wir mit ihnen nicht die volle Breite des PD-Steckers belegen. Schließlich bringt USB-C auf diesem Platz 24 Pins unter! Wenn wir den Stecker nie abändern wollen, ist es besser, Platz für Kontaktflächen weiterer Pins freizulassen, selbst wenn wir bisher keine Idee haben, warum es notwendig sein sollte. Signale und Strom nutzen symmetrische Signalübertragung, eine separate Erde ist nicht nötig (wie PoE).
Zu Beginn, bevor zwei verbundene Geräte mittels PD-Protokoll etwas anderes vereinbart haben, sind dabei nur zwei Aderpaare des PD-Kabels in Benutzung. Auf beiden wird in dieselbe Richtung mit 12V Strom übertragen (zum Verbraucher). Für Datenübertragung kann in jede Richtung ein Aderpaar genutzt werden (Vollduplex). Im Vergleich zu USB und PoE ist das vereinfacht und eine höhere initiale Spannung, da wir immer ein Gerät mit Strom versorgen wollen.
Für Geräte, die wenig Strom brauchen und auch nicht die maximal mögliche Datenmenge ausnutzen, ist das ausreichend. Sie können die anderen beiden Aderpaare ignorieren, und ihnen können (entsprechend beschriftete!) PD-Kabel beiliegen, die nur diese beiden Aderpaare leiten.
Über diese Adern können Geräte klären, welche Protokollversion sie sprechen und sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen. Sie können identifizierende Daten mitteilen (Hersteller, Modell, Seriennummer, Produktionsdatum), welche Signale sie verstehen und welche sie senden, Daten anderer Geräte senden und empfangen, die Versorgungsspannung von 12V auf 48V umschalten (gilt bei Gleichstrom als noch ungefährlich, ist auch bei USB und PoE das höchste genutzte Spannungslevel) und eine Nutzung der beiden anderen Aderpaare (so vorhanden) vereinbaren.
Das dritte Aderpaar ist exakt so nutzbar, wie die ersten beiden: Es kann mit 48V Strom zum Verbraucher übertragen und die Datenrate in eine der beiden Richtungen verdoppeln.
Das vierte Aderpaar ist dagegen besonders und spiegelt die Priorisierung der Stromübertragung im PD-System wieder: Es ist ein Stromaderpaar, wesentlich dicker, und kann nur Strom übertragen, keine Daten.
380V-Kabel
Normalerweise funktioniert das ganze System mit einer initialen Spannung von 12V und einer Betriebsspannung von 48V. So wenige Spannungslevel zu haben, sollte den Aufbau des Systems deutlich vereinfachen. Seltenere Spannungslevelwechsel erhöhen auch den Gesamtwirkungsgrad des Systems, und es ist problemlos möglich, 48V in den Verbrauchern in einem Schritt auf 1,5V oder weniger abzusenken.[43]
Es gibt aber Fälle, in denen die so übertragbare Strommenge nicht ausreicht. Bei der Stromzuführung zur Wohnung, einzelnen Großverbrauchern wie Herd oder Kühlschrank, oder um Basisstationen des PD-Netzes miteinander zu verbinden, die allen anderen Geräten den Gleichstrom bereitstellen. Dafür braucht es ein leistungsfähigeres Kabel.
Das 380V-Kabel verfügt über 12 statt 3 normale Aderpaare und ein noch dickeres Stromaderpaar.
Wird das Kabel mit 12V/48V betrieben, dann hat es genug Strom- und Datenkapazität, um in 4 PD-Kabel aufgespalten zu werden. Der Strom aus dem Stromaderpaar kann dabei passiv aufgeteilt werden (ganz wie ein klassisches Stromkabel an einer Verteilerleiste).
Wird das Stromaderpaar dagegen mit 380V betrieben, dann kann über dieses Kabel jede Strommenge übertragen werden, die ein Haushalt braucht. Anders als beim PD-Kabel sind sein Stecker und seine Isolierung darauf ausgelegt, 380V auf dem Stromaderpaar zu verkraften.
Versionsnummern
Auf jedem Kabel und jeder Steckdose sollte eine Versionsnummer angegeben sein. Jeder Versionsnummer sind dabei Mindestanforderungen zugeordnet, denen die Adern des Kabels genügen müssen (elektrische Eigenschaften). Neben weiteren Adern sind Verbesserungen dabei durch kürzere Kabellängen, größeren Aderquerschnitt, andere Metalle, bessere Isolierung oder anderen Kabelaufbau erreichbar. Alle Änderungen dieser Mindestanforderungen müssen abwärtskompatibel sein, so dass eine höhere Nummer stets auch alle Mindestanforderungen niedrigerer Nummern erfüllt. Maximale Signallaufzeiten dürfen dabei keine Mindestanforderung sein, so dass kürzere Kabel nie der einzige Weg sind, eine höhere Versionsnummer zu erreichen.
Wir beginnen den Aufbau des PD-Netzes mit einem Verbund aus Basisstationen (PD-Basen). Eine der Basisstationen erhält dabei vom Stromanschlusskabel an die Wohnung (380V-Kabel) Gleichstrom. Wird die Wohnung stattdessen klassisch per 400V Dreiphasenwechselstrom versorgt, dann ist ein Konverter auf Gleichstrom vorgeschalten, bevor der Strom die PD-Basis erreicht.
In der Wohnung wird es eine PD-Basis je Raum geben, welche über 380V-Kabel miteinander verbunden sind und angeschlossene Geräte mit 12V/48V Gleichstrom über PD-Kabel versorgen können.
Zusätzlich übernehmen diese PD-Basen die Rolle des Sicherungskastens, übertragen Daten von und zu den angeschlossenen Geräten und vernetzen diese so miteinander und mit dem Internet.
Die PD-Basen können als Verbund über einen Browser oder eine App verwaltet werden. Dort sind zum Beispiel sprechende Namen für die Geräte hinterlegt und einsehbar („Lampe Schlafzimmer“). Zu jedem Gerät gibt es Informationen zu seinen Einstellungen, seinem Stromverbrauch, ob es angeschaltet ist und richtig funktioniert. Dadurch bekommt man beispielsweise leichter mit, dass ein Rauchmelder oder die Katzenklappe defekt ist. Im Fall von Strommangel oder einem hohen Strompreis kann das PD-Netz der Wohnung priorisieren, welche Geräte zuerst ihren Strom verlieren. Da die PD-Basen mit allen Geräten (und untereinander) Daten austauschen, kann diese Priorisierung dann zum Beispiel auch vom Ladestand des Batteriespeichers abhängen oder von der aktuellen Temperatur im Kühlschrank.
Wird die Wohnung per 380V-Kabel mit Strom versorgt, dann ist das PD-Netz verpflichtet, zu melden, wie viel Stromverbrauch wegfallen würde, falls der Strompreis steigt, und bei welchem niedrigeren Preis ein Verbraucher dazukommen würde, falls aktuell einer aus Strompreisgründen abgeschaltet ist. Das dient der Planbarkeit von Entscheidungen, falls der Stromverbrauch angepasst werden muss, damit das Stromnetz insgesamt stabil bleibt.
Jede der Basen hält alle Daten über das PD-Netz, sie aktualisieren sich nach Bedarf gegenseitig (das Protokoll dafür ist standardisiert). Das bedeutet, dass Basen nacheinander ausgetauscht werden können (solange man nach jedem Austausch kurz Zeit für die Synchronisation lässt), und am Ende hat das PD-Netz nichts vergessen, obwohl alle Geräte neu sind.
Von den PD-Basen führen 380V-Kabel zu den Wandanschlüssen, welche ich in diesem System PD-Boxen nennen möchte.51 Jede PD-Box kann dabei bis zu vier Geräte mit Strom und Daten versorgen, bietet also vier PD-Anschlüsse. Die PD-Box ist dabei komplett passiv und enthält keinerlei Elektronik. Wodurch sie billiger und robuster ist und selbst keinen Strom verbraucht.
Es folgt eine genauere Erklärung für diejenigen, die es interessiert. Wieder gilt: Es würde funktionieren, ist aber sicher verbesserungsfähig.
Die ersten drei Aderpaare im PD-Kabel haben einen Querschnitt von je 2x0,2mm², leiten maximal je 12 Watt und haben bei einem 50m Kabel (dem erlaubten Maximum) 4,65% Verlustleistung.
Das vierte Aderpaar hat einen Querschnitt von 2x1,0mm², leitet maximal 60 Watt und hat bei einem 50m Kabel ebenfalls 4,65% Verlustleistung (fünffacher Querschnitt, fünffache Stromstärke).
In Summe kann ein PD-Kabel somit bis zu 96 Watt übertragen, bei einem Gesamtleiterquerschnitt von 3,2mm².
Die 12 Aderpaare des 380V-Kabels zur PD-Box führen die ersten 3 Aderpaare für jeden der 4 PD-Anschlüsse. Sein Stromaderpaar hat dagegen einen Querschnitt von 2x2,0mm², leitet bei 48V maximal 120 Watt und hat folglich wieder 4,65% Verlustleistung bei 50m Kabellänge. Da es keine Daten führt, kann sein Strom passiv auf die Stromadern der vier PD-Anschlüsse aufgeteilt werden.
Das 380V-Kabel kann mit 48V Spannung insgesamt bis zu 264 Watt übertragen. Aufgeteilt in 4x36=144 Watt, die PD-Anschlüssen exklusiv zugeordnet sind, und 120 Watt frei verteilbaren Stroms. Zwei der vier PD-Anschlüsse können somit gleichzeitig die maximal möglichen 96 Watt (36+60) in Anspruch nehmen.
Das 380V-Kabel hat einen Gesamtleiterquerschnitt von 8,8mm².
Wird das gleiche Kabel genutzt, um 380V zu übertragen, dann würde ich die normale Leistungsgrenze bei 4kW setzen (zum Vergleich: 16A bei 230V Wechselspannung sind 3,68kW). Dann entstehen bei 50m Kabellänge 2,5% Verlustleistung. Es werden aber auch andere Leistungsgrenzwerte in den PD-Basen einstellbar sein.
380V-Kabel, welche zwei PD-Basen verbinden (das ist zum Zeitpunkt der Stromverkabelung der Wohnung ja bekannt), verfügen über ein Stromaderpaar mit einem Querschnitt von 2x4,0mm² (Kabel insgesamt 12,8mm²). Die gleichen 2,5% Verlustleistung treten bei 50m Kabellänge dann erst bei 8kW Leistung auf.
Die maximal übertragbare Leistung ist dabei von der tatsächlichen Kabellänge abhängig. Falls die 50m Länge ausgereizt werden, kann bei Bedarf auch ein Kabel mit noch größerem Aderquerschnitt zum Einsatz kommen.52
Die 50m Kabellänge werden in der Praxis in einer Wohnung natürlich sehr selten erreicht werden. Die tatsächlichen Leitungsverluste sind dann proportional geringer (Beispiel: 10m Kabellänge von PD-Basis zu einem mit 96 Watt bei 48V versorgten Gerät: 0,93%).
Hier ein Bild davon, wie ich mir solch eine PD-Box vorstelle, mit einer Schuko-Wandsteckdose zum Größenvergleich:

Am unteren Rand der PD-Box sind die 4 PD-Anschlüsse angeordnet. Jede ist gut erreichbar, auch wenn die anderen Anschlüsse in Benutzung sind.
Oberhalb der Anschlüsse befinden sich zwei Verblendungen, welche aufgrund der Rastnasen (mittig oben) sicher sitzen, aber auch leicht entfernt werden können.

Entfernt man die Verblendungen, sieht man zwei leere Steckplätze (die Vertiefungen mit den Schrauben in ihrer Mitte). Die zwei Schrauben halten die PD-Box als Ganzes in ihrer Verankerung. Wird sie beschädigt, ist sie also leicht austauschbar.
Am unteren Ende der Steckplätze befinden sich je zwei kleine Einbuchtungen, damit PD-Dosen mithilfe der oberen Rastnasen sicher in den Steckplätzen gehalten werden können.

Und hier sind die beiden Steckplätze jetzt belegt und angeschlossen. Für ihre Verbindung wird es spezielle kurze PD-Kabel geben.
In meinem System ersetzen diese Steckplätze unter anderem alle separat verbauten Lichtschalter. Der linke Taster könnte also zum Beispiel ein Lichtschalter für diesen Raum sein.
Das funktioniert so, dass das PD-Netz den Taster und die LED-Lampe an der Decke als angeschlossen auflistet. In der GUI* verbindet man die beiden, so dass die LED Leuchte ab sofort alle Daten erhält, welche der Taster sendet.
Von den Geräten gesendete Signale wie „Ein“, „Aus“, „Trigger“, „x%“, „+x%“, „-x%“, Modi, Messwerte und so weiter werden standardisiert sein. Der Beipackzettel der LED wird auflisten, welche Signale die LED versteht und auf welcher Nummer diese was bewirken.
Welche Signale an verbundene Geräte weiter geleitet werden, kann nach Signaltyp, Nummer und Raum53 gefiltert werden. PD-Geräte senden Signale normalerweise mit Nummer 1, falls sie jedoch über mehrere Taster oder Regler verfügen, nutzen sie aufsteigend weitere Nummern, um sie zu unterscheiden.
In der GUI kann für jede Verbindung angegeben werden, dass etwas zu dieser Nummer dazu addiert werden soll, bevor sie weitergeleitet wird.
Mehrere Geräte können zu einer Gruppe zusammengefasst werden, um sie einheitlich zu behandeln, und um nur eine Stelle ändern zu müssen, wenn ein neues Gerät dazukommt.
Der Taster sendet „Trigger“ wann immer er gedrückt wird, der Drehregler „-1%“ oder „+1%“ wann immer er soweit nach links oder nach rechts gedreht wird.
Beide sind also extrem simpel und halten keinerlei inneren Zustand.
Für unsere Beispiel-LED listet der Beipackzettel auf:
- Unterstützte Signale: „Ein“, „Aus“, „x%“
- 1: schaltet das Licht ein oder aus, x% dimmt es
- 2: x% setzt Rot-Anteil des Lichts
- 3: x% setzt Grün-Anteil des Lichts
- 4: x% setzt Blau-Anteil des Lichts
Die vom Taster gesendeten und die von der LED erwarteten Signale passen also nicht zusammen.
Das macht aber nichts, denn die PD-Basen bieten Umwandlungsmöglichkeiten dafür, in Form von Zwischenstufen. Das können vorgefertigte kleine Programme sein (Verzögerung, x% Verlauf über Zeitraum, x% zu Farbkreis, ...) oder selbst erstellte wenn-dann Bedingungen (wenn x und y, tue a und b). Mithilfe einer Zwischenstufe kann „Trigger“ in „Ein“ oder „Aus“ übersetzt werden, oder „+1%“/“-1%“ in „x%“. Wobei dann die PD-Basen den aktuellen Zustand halten.
In diesem Beispiel ist aber keine Zwischenstufe nötig: Sobald in den PD-Basen Taster und LED verbunden werden, merken sie, dass der Taster „Trigger“ sendet, die LED dagegen „Ein“ und „Aus“ erwartet. Folglich werden sich die PD-Basen den aktuellen Zustand merken und für jedes vom Taster erhaltene „Trigger“ das Signal „Ein“ oder „Aus“ an die LED schicken.
Genauso würde es mit Dimmung funktionieren. Soll dagegen ein einziger Drehregler die Farbe des Lichts regeln, wird man in der GUI eine Zwischenstufe einfügen, welche einen Prozentwert in RGB-Werte eines Farbkreises übersetzt und die dafür nötigen drei Prozentwerte ausgibt.
Für mehr Automatisierung können auch die PD-Basen selbst Signale generieren: Zu einer bestimmten Uhrzeit, oder wenn ein Gerät in einem bestimmten Modus und Raum im PD-Netz erscheint oder verschwindet.
Bei Systemen, die aus mehreren via PD-Netz verbundenen Geräten bestehen, kann eines davon auch ein Skript übertragen, welches steuert, wie es sich mit den anderen verbindet. Man schließt sämtliche Geräte an, wählt dann in der GUI „Verbinden“ beim zentralen Gerät, und die Geräte verbinden sich automatisch wie vorgesehen. Mit Optionen, dieses Skript für dieses Gerät, alle Geräte dieses Modells oder Herstellers, oder für alle Geräte automatisch auszuführen. Das jeweilige Skript läuft dann, wann immer ein Gerät ans PD-Netz angeschlossen oder entfernt wird. Falls man soviel Kontrolle abgeben möchte.
Als Spezialfälle sind im PD-Netz noch die Anbindung an das Internet und an andere PD-Netze vorgesehen.
Für die Anbindung an das Internet kann ein Gerät diese Fähigkeit bewerben, und die PD-Basen leiten entsprechende Daten zu und von diesem Gerät weiter. Für alle anderen Geräte kann es dann je nach Vorliebe entweder eine White- oder Blacklist geben: Entweder kommen nur dafür freigeschaltete Geräte ins Internet oder alle, für die es nicht verboten wurde.
Der Anschluss an andere PD-Netze erfolgt über 380V-Kabel. Neben der Stromübertragung ist dabei auch konfigurierbar, welche Geräte das Partnernetz sehen soll und mit welchen sichtbaren Geräten eigene Geräte verbunden sind. Dabei gibt es die Einstellmöglichkeit „alle sichtbaren“.54
Ich möchte hier gar nicht weiter ausführen, wie genau das Protokoll funktioniert, über welches die Geräte miteinander reden oder eine Verbindung ins Internet aufbauen. Ich will nur aufzeigen, dass eine Standardisierung der Kommunikation über das PD-Netz leicht auch einen einheitlichen Standard der Heimautomatisierung schaffen kann, ohne die Flexibilität und die Entwicklungsmöglichkeiten im Geringsten einzuschränken.
Schließlich kann es für PD-Basen wie für alle anderen Elemente des PD-Systems verschiedene Anbieter geben, die verschiedene Varianten bieten, Netz und Geräteverbindungen möglichst einfach zu konfigurieren. Lediglich das Protokoll ist standardisiert, so dass Elemente verschiedener Hersteller problemlos zusammenarbeiten.
Dank des Datenaustausches der PD-Basen kann für alle Daten- und Stromübertragungen der beste Weg gewählt werden. Bei Daten mit dem Ziel, die Latenz zu minimieren, bei Strom die Übertragungsverluste. Es ist dafür hilfreich, wenn die PD-Basen tatsächlich als ein Netz zusammengeschalten sind (es also mehrere Wege von Basis A zu Basis B gibt), statt sternförmig von einer zentralen Basis auszugehen. Das schafft auch Ausfallsicherheit, falls ein die Basen verbindendes Kabel beschädigt wird.
In Anbetracht dessen, dass die PD-Basen über die gesamte Wohnung verteilt sind, neben der Stromversorgung auch die zentralen Datenknotenpunkte bilden und alle Geräte ans Internet anbinden, drängt es sich förmlich auf, diese Geräte auch als Accesspoints* zu nutzen.
Neben einem zusätzlichen Chip in den Geräten braucht es nichts weiter dafür. Die PD-Basen können leicht in der gesamten Wohnung das gleiche Netz anbieten. Und Geräte, die das WLAN nutzen, können nahtlos wechseln, mit welcher PD-Basis sie kommunizieren, je nachdem, welches Signal gerade am stärksten ist.
Auch diese Geräte können über Signale mit anderen PD-Geräten kommunizieren und in die Heimautomatisierung einbezogen werden. Die PD-Basen können dabei über Triangulation bestimmen, in welchem Raum sich ein WLAN-Gerät aktuell befindet.
PD-Anschlüsse stellen bei 48V Spannung bis zu 96 Watt Leistung bereit. Wo das nicht ausreicht, kann in der Halterung der PD-Box stattdessen eine Variante verschraubt werden, die nicht vier normale PD-Anschlüsse bietet, sondern einen einzelnen 380V-Anschluss (es wird einfach das Kabel weitergeleitet, das zur PD-Box führt), der viel mehr an elektrischer Leistung übertragen kann.
Da bei den 380V-Kabeln der Strom in beide Richtungen fließen kann, ist hier auch der Anschluss von Solarpanelen oder Batteriespeichern möglich.
Es gibt PD-Basen nicht nur in der fest verbauten Variante, welche die PD-Boxen in den Wänden an das Strom- und Datennetz anschließen. Es gibt auch solche, die nur über einen einzigen 380V-Anschluss für die Verbindung zur PD-Box verfügen, dafür aber mehrere PD-Anschlüsse bieten und möglichst klein und leicht sind. Sie können die gleiche Rolle einnehmen wie ein USB-Hub und mehrere an sie angeschlossene Geräte direkt vernetzen und mit Strom versorgen.
Dafür meldet sich eines der an eine solche PD-Basis direkt angeschlossenen Geräte als „Empfänger“ an (der Laptop), und wird dadurch automatisch mit allen anderen direkt an dieselbe Basis angeschlossenen Geräten verbunden (Maus, Tastatur und Monitor). Durch den kurzen Weg für die Daten sind die Latenzen sehr gering.
Da alles das PD-Netz nutzt, sind die Möglichkeiten damit aber nicht erschöpft. Der Laptop kann zum Beispiel seine Soundausgabe ohne zusätzliche Kabel an die Stereoanlage im Wohnzimmer schicken, indem die beiden Geräte virtuell miteinander verbunden werden.
Außer für Lampensteuerung können PD-Dosen auch benutzt werden, um die Stereoanlage zu regeln oder eines der unzähligen anderen Geräte, die auf PD-Signale reagieren können. Oder man nutzt die Steckplätze der PD-Boxen für Geräte wie kleine Lautsprecher, Mikrofone oder Kameras, die man an bestimmten Orten platzieren will.
Beim klassischen Nutzungsszenario des Lichtschalters kann dank dieses Systems ohne Änderung der Verkabelung festgelegt werden, welcher Taster welche Lampen ein- und ausschaltet, wo Dimmer benutzt werden und wo über Dreh- oder Schieberegler die Farben der Lampen einstellbar sein sollen.
Falls man mehr möchte, als nur den klassischen Lichtschalter zu pimpen, könnte man zum Beispiel festlegen, dass die Lichter in einem Raum genau dann an sind, wenn sich ein Bewohner in ihnen befindet (über eine Gruppe von WLAN-Geräten, zum Beispiel Smartphones, die ständig bei sich getragen werden). Für Räume mit Fenstern beschränkt auf die Zeit kurz vor Sonnenuntergang bis kurz nach Sonnenaufgang.
Sobald ein Gerät in den Modus „schlafen“ wechselt, schalten sich die Lichter des Raumes aus, und der Lautsprecher im Raum spielt eine Zeit lang das gewählte Naturgeräusch ab, um beim Einschlafen zu helfen.55
Im Wecker auf dem eigenen Smartphone ist eingestellt, 30 Minuten vor dem Alarm ein Triggersignal an das PD-Netz zu senden. Daraufhin werden die Lichter in diesem Raum langsam heller, um einen Sonnenaufgang zu simulieren, während langsam lauter werdendes Vogelzwitschern ertönt.
Nur so als Beispiel.
Solange keine Geräte an einer PD-Box angeschlossen sind, ist es immer gefahrlos möglich, an ihr zu arbeiten, ohne eine Sicherung abschalten zu müssen. Denn solange kein angeschlossenes Gerät etwas anderes aushandelt (die PD-Box selbst ist ja ein passives Gerät), liegen nur 12V Spannung an, was ungefährlich ist. Eine Umrüstung einer PD-Box auf 380V braucht also keinen Elektriker.
Das bedeutet auch, dass PD-Boxen keine Kindersicherungen benötigen: Jeder PD-Anschluss oder 380V-Anschluss, der nicht in Benutzung ist, führt keinen gefährlichen Strom.
Entgegen meinem üblichen Vorgehen beschreibe ich hier auch kurz, wie es zur Umsetzung dieser Zukunftsvision kommen könnte (womit wir uns sonst erst im 13. Kapitel beschäftigen). Weil es in diesem Fall wirklich sehr einfach zu beschreiben ist:
1. Ein Industriekonsortium greift die Idee auf und erarbeitet den Standard.
2. Ein Staat unterstützt die Umsetzung, indem per Gesetz vorgeschrieben wird, dass alle Neubauten ab einem bestimmten Datum das PD-System verbauen müssen.
3. Da ein wachsender Markt garantiert ist, entwickeln Hersteller Geräte, die per PD-System mit Strom versorgt werden. Es gibt separate Adapter zu kaufen, um sie an Schukosteckdosen zu betreiben (analog zu den bekannten USB-C Netzteilen). Geräte mit 380V-Anschluss werden dagegen spezifisch für Gleich- oder Wechselstrom gekauft werden, da zu viel an Effizienz durch Adapter verloren gehen würde (auch wenn Adapter natürlich theoretisch möglich sind).
4. In bestehenden Gebäuden wird die Wandverkabelung im Laufe der Zeit bei Renovierungen mit ersetzt, beispielsweise wenn der Mieter wechselt.
Das sollte als Umsetzungsplan ausreichen. Die Umstellung auf das PD-System kann Gebäude für Gebäude erfolgen, sogar Wohnung für Wohnung. Auch nicht anders, als wenn eine andere neue Technologie eingeführt wird. Und im Gegensatz zu gesellschaftlichen Innovationen haben wir mit neuen Technologien viel Übung.
Anforderungsabgleich