12. Mit wem wir leben
12.3 Gemeinsames Wirtschaften
Was ich bereits für die Effizienz von Aufgabenerledigung festgehalten habe, gilt in noch stärkerer Form für Besitztümer: Eine Gruppe kann ihre Mittel um ein Vielfaches effizienter einsetzen als eine Einzelperson.
• Es ist weniger Wohnraum pro Familiamitglied nötig und doch lebt am Ende jeder luxuriöser als alleine (weil viele Wohnbereiche für sechs Personen nur wenig größer sein müssen als für eine).
• Vermutlich sind zwei Autos für sechs Erwachsene ausreichend (wird mit Kindern mehr, vielleicht kauft man aber auch einen Kleinbus), während jeder Single ein eigenes bräuchte.
• Viele Elektrogeräte sind auch für sechs Erwachsene nur einmal oder höchstens zweimal nötig (Staubsauger, Herd, Spülmaschine, Fernseher, ...).
• Die Geräte, die man um des Komforts willens doppelt in der Familia hat, bieten den zusätzlichen Vorteil der Redundanz beim Ausfall von einem davon.
• Es lohnt sich viel eher, langlebige Produkte zu erwerben, da sie von mehreren Personen genutzt werden und sich der Anschaffungspreis auf mehrere Köpfe verteilt. Am Ende ihrer langen Lebenszeit sind sie ihren höheren Preis mehr als wert gewesen (und haben die Umwelt geschont).
• Da die entsprechenden Kompetenzen vorhanden sind (Handwerk, Technologie), können bessere Produkte ausgewählt und gekauft werden, als wenn dies jemand weitgehend unwissend tun müsste.
Die Summe der Vorteile, weniger zu brauchen für gleiche oder bessere Lebensqualität, sowie bessere und langlebigere Produkte auswählen zu können, führen dazu, dass eine Familia weit besser wirtschaften kann als Singles oder Kleinfamilien.
Womit wir bei der Frage der Besitztümer angekommen sind: Wem gehört was? Wie wird Besitz in die Familia eingebracht, wenn man ihr beitritt, und was passiert bei einem Austritt mit den Besitztümern?
Einige Dinge werden weiterhin Einzelnen gehören, andere der Familia als Ganzes.
Bei Gründung der Familia, oder beim Beitritt einer neuer Person, wird entschieden, was in den Gemeinschaftsbesitz eingebracht wird, weil die Gruppe es braucht, und was nicht. Bei allen eingebrachten Gütern wird ihr Wert und ihre erwartete Haltbarkeit festgelegt (z.B.: 500€ und fünf Jahre für diese Spülmaschine).
Nachdem das für alle Gegenstände entschieden wurde, wird der eingebrachte Wert für jedes Mitglied aufsummiert und mit Geld so ausbalanciert, dass am Ende jeder die gleiche Summe aus materiellem Wert+Geld beigesteuert hat. Ist dies aufgrund zu ungleicher Reichtumsverteilung nicht möglich, so haben die Familiamitglieder stattdessen unterschiedliche Anteile am Gruppeneigentum.
Verlässt ein Mitglied die Familia, so wird der Gesamtwert des Familiaeigentums berechnet (unter Beachtung der anfangs festgelegten erwarteten Haltbarkeit der Gegenstände) und das Mitglied nach dem Wert seines Anteils mit Geld und Gegenständen ausbezahlt (eins von sechs Mitgliedern verlässt die Familia, alle haben gleiche Anteile am Gruppeneigentum -> die Person bekommt 1/6 des Gruppeneigentums).
Kommt es zu Zeitkonflikten bei der Nutzung eines Gutes (wie eines Autos), dann muss mittels Nutzungsliste geklärt werden, wer es wann nutzen darf. Es gibt sicher eine gute App für so etwas, und ein faires Ergebnis und hohe Auslastung mithilfe einer technischen Lösung sind weit besser, als wenn Einzelne zurückstecken müssen, weil nichts Besseres gesucht wurde. Wenn eine Lösung dafür einmal eingeführt wurde, ist es auch leicht, sie auf einen weiteren Gegenstand anzuwenden, wo es nützlich ist (und seien es die Kinder, die sich um eine Spielkonsole streiten).
Die Familia entscheidet darüber, welche Kosten gemeinschaftlich getragen werden. Das ist minimal alles, was für die gemeinschaftlichen Arbeiten benötigt wird (z.B. Lebensmittel zum Kochen), sowie Geld für Reparaturen und den Ersatz von Gemeinschaftsgütern.
Sobald geklärt ist, was alles gemeinschaftlich bezahlt werden wird, kann man erwartete monatliche Kosten pro Familiamitglied errechnen, die von jedem in die Gemeinschaftskasse einzuzahlen sind.
Diese Kosten lassen sich zum Beispiel wie folgt aufschlüsseln:
• laufende Kosten: Miete, Lebensmittel, ...
• Instandhaltungskosten: Rückstellungen für Reparatur und Ersatz gemeinschaftlichen Eigentums, wie der Spülmaschine, berechnet aufgrund von Wert und erwarteter Haltbarkeit.
• Experimentier- und Erweiterungskosten: Geld für Dinge, welche die Familia noch nicht besitzt. Entweder, weil es sich dabei um neue Technologie handelt, oder weil es etwas ist, was die Familia noch nicht hat, aber braucht/haben will (zum Beispiel für älter gewordene Kinder). Dieser Posten spart das Geld für solche Anschaffungen an.
• Notfallrückstellungen (Gedacht für den Fall, dass die Familia unerwartet Geld für etwas benötigt. Sammelt sich hier mehr als sinnvoll an, kann der monatliche Beitrag für jeden entsprechend sinken.)
Sollte jemand viel verdienen, dabei aber zu geschafft sein, um noch Kraft für viele Familiaaufgaben zu haben, kann die Gruppe ihm oder ihr anbieten, sich von einem Teil der Aufgaben freizukaufen. Diese Person würde also mehr Geld in die Gemeinschaftskasse einzahlen, dafür weniger an Aufgaben übernehmen. Das sollte aber nur für einen Teil der Aufgaben geschehen, schließlich ist die gemeinsame Arbeit auch für den Zusammenhalt der Familia und für Wissensaustausch wichtig! Unproblematischer, einem solchen Tausch zuzustimmen, wird es, wenn ein anderes Familiamitglied gleichzeitig in die andere Richtung tauschen möchte: Weniger Geld in die Gemeinschaftskasse einzahlen, dafür aber mehr an Aufgaben übernehmen. In dem Fall müssen alle anderen weder mehr Geld einzahlen noch mehr an Aufgaben übernehmen.
Dass jemand weniger Geld beisteuert, dafür aber mehr an Aufgaben erledigt, entspricht dem Kleinfamilienmodell mit einem Hauptverdiener und einer Person, die sich um den Haushalt kümmert. Dieses Grundprinzip ist in der Familia also auch möglich. Allerdings nur, wenn auch ein Teil ausreichend Geld beisteuert und nicht alle mehr Aufgaben übernehmen wollen (oder umgekehrt). Es muss ein Gleichgewicht sein, weswegen es nur mit Zustimmung der Familia möglich ist. Und selbst dann: Es wird immer auch ein Kräfteungleichgewicht bedeuten. Eine gleiche Beteiligung von allen erscheint mir als die beste Lösung, wo sie möglich ist.