3. Begrenzter Planet Erde

3.2 Ressourcenknappheit

Das Problem des Klimawandels kann also gelöst werden, wenn wir nur wollen. Das allgemeinere Problem, dass die Ressourcen der Erde endlich sind, aber nicht.

Ich rechne es den Wissenschaftlern, die das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ verfasst haben, sehr hoch an, dass sie einen solch langen Zeithorizont in die Zukunft gedacht haben. Das tun wir Menschen nur sehr selten. Und die Wirklichkeit gibt den Autoren bisher recht. Die Entwicklungen von Industrialisierung, Bevölkerungswachstum, Nahrungsproduktion, Umweltverschmutzung und Ressourcenausbeutung verhalten sich bis heute in etwa so wie von ihrem Standardlauf berechnet („weiter wie bislang üblich“). Das ist für eine jetzt 50 Jahre zurückliegende Vorhersage hervorragend!

Das Buch warnt davor, dass wir die Grenzen des Wachstums erreichen werden. Wenn wir das Wachstum nicht durch politische Entscheidungen begrenzen, dann erzwungenermaßen durch Ressourcenknappheit. Was dann dazu führt, dass die Kurven für Industrieproduktion, hergestellte Nahrungsmenge und Bevölkerung nach unten zeigen. Aus dem mathematischen Modell zurück in die Wirklichkeit übersetzt bedeutet das, dass Ressourcen langsamer und teurer gefördert werden, weil die einfach ausbeutbaren Lagerstellen erschöpft sind. Dass Felder weniger Ertrag bringen, da sie zu lange überdüngt wurden. Und dass aufgrund der gestiegener Nahrungspreise große Hungersnöte herrschen und viele Menschen sterben, weil einfach nicht mehr genug zu Essen da ist.

Aber warum sind wir im Szenario „weiter wie bislang üblich“? Das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ hat genug Aufmerksamkeit erregt, dass das Problem bekannt ist. Und es gibt inzwischen mehr als genug andere Studien, die sich damit beschäftigen und die Kernaussagen bestätigen. Warum ist die Menschheit so dumm, sehenden Auges in ihr Verderben zu laufen?

Der entscheidende Grund dafür ist unsere Weltregierung. Respektive die Tatsache, dass wir keine haben. Die UN ist nichts anderes als ein prestigeträchtiger Debattierklub, auch wenn uns Science-Fiction oft etwas anderes suggeriert. Einzig worauf sich alle Vetomächte (USA, China, Russland, Frankreich und Großbritannien) einigen können, kann gegen den Willen eines Landes durchgesetzt werden. Wie selten so etwas ist, konnte man an der Reaktion der UN auf den Einmarsch Russlands in die Ukraine sehr gut beobachten (oder an der Reaktion auf den syrischen Bürgerkrieg, oder an der Reaktion auf den Krieg im Jemen, ...).

Das Einzige, was man ansatzweise als Weltregierung bezeichnen könnte, ist unsere Wirtschaftsform, der Kapitalismus. Und der Kapitalismus ist nun mal berüchtigt ungeeignet dafür, gut mit Ressourcen zu haushalten, die der Allgemeinheit gehören. Wie zum Beispiel den Fischbeständen der Meere oder sauberer Luft.

Nun wird sich in absehbarer Zukunft nichts daran ändern, dass unsere Welt aus einer Ansammlung souveräner Staaten besteht. Noch daran, dass das vorherrschende Wirtschaftssystem der Welt der Kapitalismus ist. Unabhängig davon, welche Ideologien sich in einzelnen Ländern durchsetzen mögen.
Für das Wohl der ganzen Erde werden die Staaten in ihrer Gesamtheit auch weiterhin nur einen Minimalkonsens abliefern. Zu spät und zu wenig.

Die Deutschen mögen zum Beispiel die Grünen mit absoluter Mehrheit an die Regierung wählen, weil sie absolut überzeugt davon sind, dass wir unseren Ressourcenverbrauch senken müssen. Mit Gesetzen und drakonischen Steuern lenkt die neue Regierung das Land um. Das Einsparen von Ressourcen ist entweder vorgeschrieben, oder durch neue Steuern die einzig ökonomisch sinnvolle Handlungsweise. Aber all das verursacht natürlich enorme Kosten (weit größere als die Energiewende und das Einsparen von CO2).
Dass ihr Reichtum sinkt, sind die Bürger zu akzeptieren bereit, deswegen haben sie diese Regierung ja gewählt. Vielleicht steigt die gefühlte Lebensqualität sogar an. Aber auch die in Deutschland hergestellten Produkte werden teurer und sind auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfähig. Dadurch kommt die Wirtschaft in eine Abwärtsspirale (Deutschland ist eine Exportnation), die Schuldenlast wächst, und die außenpolitischen Möglichkeiten der Bundesregierung schrumpfen immer mehr. Länder wie China, Indien oder die USA, die nicht versuchen, ihren eigenen Ressourcenverbrauch einzudämmen, produzieren dagegen entsprechend mehr. Ihr Reichtum wächst, und ihr außenpolitisches Gewicht nimmt zu. Genauso, wie im vorherigen Kapitel Staaten profitierten, die den Fortschritt fördern, profitieren hier Staaten, die den Ressourcenverbrauch nicht bremsen. Sie setzen sich durch, und mit ihnen das ungebremste Wachstum. Dieses Grundproblem, dass diejenigen im Vorteil sind, die ohne Rücksicht auf Verluste die gemeinsamen Ressourcen aller verbrauchen, nennt sich „Tragik der Allmende“ („tragedy of the commons“).

Die freiwillige Beschränkung unseres Ressourcenverbrauchs, die das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ zurecht fordert, wird also nicht stattfinden. Es ist mit der politischen und wirtschaftlichen Struktur unserer Welt inkompatibel.12

Es stimmt aber dennoch nicht, dass wir uns in ein unvermeidbares Unglück stürzen, weil wir als Menschheit unfähig sind, das Wachstum unseres Ressourcenverbrauchs zu stoppen. Wohinein wir uns damit stattdessen stürzen, ist ein Wettlauf. Ein Wettlauf zwischen dem wachsenden Ressourcenhunger der Menschheit auf der einen Seite - und der Ausdehnung unseres Ressourceneinzugs auf den Rest unseres Sonnensystems auf der anderen.

Das mag im Moment aberwitzig wirken, da wir nur winzige Mengen an Material zu astronomisch hohen Kosten in einen Erdorbit befördern. Aber wenn man die exponentielle Zunahme des wissenschaftlichen Fortschritts verstanden hat, dann wird klar, dass dieses Kostenproblem gelöst werden wird. Können wir die Rohstoffe und den Platz nutzen, den uns unser ganzes Sonnensystem bietet, haben wir plötzlich die billionenfache Menge an allem. Das Knappheitsproblem stellt sich dann nicht mehr, ab dann ist der wissenschaftliche Fortschritt viel schneller als der wachsende Bedarf an Platz und an Rohstoffen.

Das, was uns der wissenschaftliche Fortschritt vor der Nutzung nicht-irdischer Ressourcen bringt, ist, die Ziellinie zu verschieben (durch Senkung des Ressourcenbedarfs und durch Wiederverwertung von Rohstoffen).
All die Forschung, die sich damit beschäftigt, das dynamische System aus Erde und Menschheit besser zu verstehen, um ein Umkippen zu verhindern, und all die Bücher, die es uns Laien zu erklären versuchen, damit wir gewillt sind, die dafür notwendigen Anpassungen, den dafür notwendigen Verzicht mitzutragen, sind also keineswegs umsonst. Nur sollte uns stets klar sein, dass all das eben nicht mehr erreichen kann, als diese Ziellinie zu verschieben. Die Ziellinie, bis zu der wir Zeit haben, bevor es durch Bevölkerungszunahme und Umweltverschmutzung zu Nahrungsknappheit kommt.
Ob dieses Verschieben reichen wird, das weiß ich nicht. Es bleibt ein Wettlauf. Ohne das stetige Wachstum des Ressourcenverbrauchs stoppen zu können, muss dieser Balanceakt früher oder später scheitern. Bis dahin müssen wir den Wettlauf in den Weltraum gewonnen haben. Wir werden uns daher beide mögliche Ergebnisse kurz ansehen (beide natürlich unter der Annahme, dass es nicht zu einem zivilisationsbeendenden Krieg, Auslöschung der Menschheit durch eine KI, oder eine andere zivilisationsbeendende Katastrophe kommt).

1. Szenario: Wir verlieren den Wettlauf.

Alles Material wird weiterhin mit Raketen in den Orbit befördert. Und während die Raketen durch bessere Technik und mehr Größe effizienter werden, sind die Startkosten noch immer hoch genug, dass die Erschließung des Erdorbits nur langsam vorankommt. Es gibt touristische Weltraumhotels und Forschungsstationen. Einige Edelmetalle werden aus Asteroiden gewonnen. Aber von all dem haben nur reiche Bürger und Nationen etwas. Gegen die Hungersnöte, die in den armen Ländern der Erde herrschen, hilft das gar nichts. Die reichen Länder haben keine Mühen, notwendige Lebensmittel einzukaufen oder herzustellen - auch wenn die Ausgaben für Nahrung steigen und die Sozialsysteme zusätzlich belasten.

Erzwungenermaßen nimmt die Hilfsbereitschaft der reichen Länder ab: Hungernde Flüchtlinge werden an den Grenzen abgewiesen. Und auch wenn natürlich Lebensmittel gespendet werden - es sind einfach nicht genug für alle da. Zumindest nicht zu Preisen, die aus Spendengeldern bezahlbar sind.

Wo Klimaänderungen und Umweltschäden die Lebensqualität in reichen Ländern zu sehr mindern, werden Bereiche überdacht, um kontrollierte Umgebungen zu schaffen. Küstenstädte werden mit Deichen geschützt, und andere notwendige Anpassungen an das Klima werden vorgenommen, weil sie notwendig sind. Die Industrieländer haben die Kraft und die Kapazitäten, das zu stemmen.

Es gibt vermutlich eine Zunahme an Kriegen um Ressourcen, aber zwischen armen Ländern. Reiche Länder müssen andere reiche Länder nicht angreifen, da sie nicht in ihrer Existenz bedroht sind. Und für arme Länder ist es aussichtslos, reiche Länder anzugreifen. Die Rüstungsausgaben steigen weiter an, um diese Abschreckungswirkung zu erhöhen.

Solange keine Atommacht durch Nahrungsmittelknappheit in ihrer Existenz bedroht ist, sollte die Gesellschaft fortbestehen und die Forschung weiter voranschreiten. Die Nachrichten werden deutlich düsterer werden, mit hunderten von Millionen an Hungertoten in Afrika, Asien und Lateinamerika. Aber am grundsätzlichen Lebensstil in reichen Industrieländern ändert sich dadurch trotzdem nicht viel.

Und während der Ressourcenbedarf der Menschheit also dadurch gedeckelt wird, dass viele der ärmsten Menschen sterben, führt der Fortschritt früher oder später schließlich doch zu einem ernsthaften Aufbruch ins Weltall. Schon aus Konkurrenzdruck zwischen den industrialisierten Ländern und zwischen großen Konzernen. Ab dann beginnt sich die Ressourcenknappheit wieder zu entspannen, weil Habitate im Erdorbit im großen Stil neuen Lebensraum und Nahrung bereitstellen.

2. Szenario: Wir gewinnen den Wettlauf.

Das deutliche Absinken der Kosten durch größere und effizientere Raketen, um Material in den Erdorbit zu bringen, ist nur der Start. Rasch beginnt eine Reihe von Konzernen die neuen Profitmöglichkeiten zu nutzen. Weltraumhotels, Forschungsstationen, der Abbau von Edelmetallen aus Asteroiden und die Energiegewinnung mittels Satelliten beginnen. Die Satelliten dienen gleichzeitig zur Verminderung der Sonneneinstrahlung auf die Erde, um den Klimawandel zu bremsen. Für all diese Projekte entsteht eine Menge an unterstützender Infrastruktur im Erdorbit.

Fortschritte in der Materialforschung und -herstellung sowie der Automatisierung machen Großprojekte technisch möglich, um den Zugang zum All zu vereinfachen (Weltraumlift, Skyhook, ...) Die Menge an vorhandener Infrastruktur im Orbit macht diese Projekte attraktiv. Daher beschließt ein Megakonzern, die USA, China oder ein Staatenbund Finanzierung und Bau eines solchen Projektes, um seine Vormachtstellung zu sichern.

Nachdem dieses Großprojekt fertig gestellt ist (Bauzeit vielleicht 10 bis 20 Jahre), nimmt die Menge an Menschen und Material massiv zu, die die Erde verlassen. Eine Unmenge an neuen Habitaten entstehen, wofür von Asteroiden große Mengen an Materialien gewonnen werden. Die Energieversorgung der Erde geschieht aus dem Weltall (es sei denn, wir knacken das Problem günstiger Kernfusion doch noch...). Mit billiger Energie auf der Erde kann Wasser und Nahrung in praktisch beliebiger Menge hergestellt werden. Wie sehr die armen Länder davon profitieren, hängt im Wesentlichen von der Spendenbereitschaft der reichen Länder ab. Aber da der Wohlstand der reichen Länder durch die Decke geht, ist die Aussicht gut, dass genug Geld gespendet wird, um zumindest Hungersnöte zu verhindern. Vielleicht sogar genug, dass effektives Statebuilding passiert und Staaten aus der Armut entkommen können.

Die nächsten Konfliktlinien ergeben sich hier voraussichtlich zwischen den reichen Staaten der Erde auf der einen Seite, und Weltraumkolonien*, die nach Unabhängigkeit streben, da sie eine völlig andere Kultur haben, auf der anderen.