9. Wohnen
9.5 Grundbesitz
Jetzt, wo wir uns mit den Themen Infrastruktur und Stadtarchitektur beschäftigt haben, sind alle Voraussetzungen beisammen, damit wir sinnvoll über das Thema Grundbesitz nachdenken können.
Grundbesitz muss zentral geregelt werden. Schließlich ist Boden kein vermehrbares Gut. Unser Staat hat eine endliche Menge davon und muss diese so gut wie möglich nutzen. Grundbesitz ist auch nicht austauschbar: Jedes Stück Land ist ein Unikat. Und wenn der Staat ein bestimmtes Stück Land für Infrastruktur benötigt (zum Beispiel für eine Eisenbahnstrecke), dann muss er auch die Möglichkeit haben, es nutzen zu können. Mit purem Kapitalismus (Land gehört Privatpersonen, sie können damit machen, was sie wollen) verträgt sich das alles nicht gut. Selbst in Deutschland ist die Möglichkeit einer Enteignung (mit Entschädigung) vorgesehen, wenn der Staat ein bestimmtes Stück Land für Infrastrukturausbau benötigt.[48]
Abgesehen von diesen praktischen Problemen ist Grundbesitz auch etwas zutiefst Ungerechtes. Wenn jemand Anteile eines Unternehmens erwirbt, dann bekommt das Unternehmen dadurch Kapital, kann damit wachsen. Der Käufer wird am Erfolg mitbeteiligt, hat aber auch das Risiko eines Fehlschlags mitgetragen. Erwirbt man dagegen Grundbesitz vom Staat, dann zahlt man dafür den aktuellen Wert (meist verkauft es der Staat günstig, um ein neues Gebiet zu besiedeln). Investieren der Staat und die Gesellschaft jetzt viel Geld in diese Region, dann steigt der Wert dieses Landstücks enorm an. Aber von dieser Wertsteigerung profitieren die Privatbesitzer, ohne dass eine entsprechende Gegenleistung erfolgt wäre.
Die Grundsteuer ist ein kleiner Ausgleich dafür: In Deutschland muss jährlich ein geringer Teil des Grundstückwerts (samt Bebauung) als Grundsteuer gezahlt werden. Dennoch gilt: Wer Boden dauerhaft besitzt, wird dadurch reich werden, solange sich der Staat gut entwickelt. Aber dem Staat und der Gesellschaft wird dadurch nicht geholfen.
Dieser hohe Wert von Grundstücken, und die Notwendigkeit, mit den bisherigen Eigentümern über ihren Kauf verhandeln zu müssen, um ein Projekt umsetzen zu können, hemmt das Wirtschaftswachstum des Staates. Es kann private Projekte massiv verzögern, verteuern oder komplett verhindern, und ist einer der Gründe dafür, dass sich die Umsetzung von Infrastrukturprojekten in Deutschland oft über Jahrzehnte hinzieht.
Mein Ansatz, um Staat und Gesellschaft statt Einzelner vom Wertzuwachs der Grundstücke profitieren zu lassen, sowie Boden leichter in die Hände derjenigen zu bekommen, die damit die meiste wirtschaftliche Aktivität erzeugen, ist eine alte Idee: Boden wird verpachtet, nicht verkauft.73 Wenn Boden stets dem Staat und somit der gesamten Gesellschaft gehört, dann sind es auch Staat und Gesellschaft, welche vom Wertzuwachs profitieren (denn für wertvolleres Land kann eine höhere Pacht erhoben werden) und den Boden bestmöglich einsetzen können.
Nur soll das nicht Verpachtung wie im Mittelalter sein, als jeder Fürst nach Gutdünken darüber entscheiden konnte. Stattdessen will ich dem Staat ein starres Regelkorsett verpassen, nach welchem sich entscheidet, wer Boden zur Pacht erhält und wie hoch diese dann ist.
Ein Regelwerk, das flexibler auf Veränderungen reagieren kann als der Kapitalismus, niedrigere Hürden für Startups bedeutet, Pachthöhen fair berechnet und für alle Seiten planbar und vorhersehbar ist.
Im Folgenden versuche ich, dieses Regelwerk so gut strukturiert wie möglich darzulegen.
Typeinteilung des Bodens
Aller Boden wird in fünf Typen eingeteilt.74
S: Stadt
50m x 50m Baugrundstücke (Hochhäuser meines Stadtkonzeptes)
Anschluss an staatliche Infrastruktur, an unterirdische Verkehrstunnel
Nahverkehrsanbindung zum Bahnhof im Zentrum der Stadt
A: Angebunden (Dorf, Industrie, Gewerbe)
Anschluss an staatliche Infrastruktur, öffentlichen Personenverkehr
D: Landwirtschaft
Anschluss an Strom, falls Stromleitung im oder am Pachtbereich
Straßenzufahrt, falls Straße im oder am Pachtbereich
kein Anschluss an restliche staatliche Infrastruktur
I: Infrastruktur
unverpachtet, für staatliche Infrastruktur genutzt
Dazu zählt das Land, welches die Baugrundstücke in der Stadt umgibt.
N: Naturbelassen (dazu gehört auch Forstwirtschaft)
unverpachtet, Erholungsgebiete und Ökosysteme
Kann als Typ S gepachtet werden (in Form von Stadtquadraten).
Typ I oder N: Dieser Boden ist unpachtbar, da es bei ihm entweder um Nutzen für die gesamte Gesellschaft und die Ökologie des Landes geht (Typ N), oder um Boden, den der Staat benötigt, um dem gesamten Land staatliche Infrastruktur bereitstellen zu können (Typ I).
Typ S, A oder D: Pachtbarer Boden wird danach in die Typen S, A oder D eingeteilt, wie gut er an staatliche Infrastruktur angeschlossen ist. Die laufenden Kosten dafür sind mit der Pacht abgegolten. Infrastruktur innerhalb des gepachteten Bereiches ist stets in Verantwortung des Pächters.
Mögliche Typwechsel
Pachtbarer Boden kann immer als der Typ gepachtet werden, als welcher er aktuell klassifiziert ist. Typwechsel sind möglich, aber an Bedingungen geknüpft.
• Typ N -> S: Der Pächter zahlt einmalig für den Ausbau der Verkehrstunnel um dieses neue Stadtquadrat. Falls nicht an bisherige Stadtquadrate angrenzend, benötigt es eine Genehmigung des Staates, und der Pächter muss einmalig für den nötigen Infrastrukturaufbau zahlen (Schienen und Bahnhof, Straßen, Wasserwerk, ...: Das ist die Gründung einer neuen Stadt).
• Typ N -> I: Passiert, falls der Staat Boden für Infrastruktur nutzen wird. Passiert für Boden, welcher die Baugrundstücke der Stadt umgibt (Typ S): Verkehrstunnel, oberirdische Parkstraßen, Ausgestaltung des Gebietes innerhalb der Hochhausgruppen, Rest als Grünfläche mit Wanderwegen (siehe 9.3).
• Typ D -> A: Muss entweder an Boden vom Typ A angrenzen, oder es benötigt eine Genehmigung des Staates und der Pächter muss einmalig für nötigen Infrastrukturaufbau zahlen (Straßen, Haltestelle bei vorhandenem Bahngleis, Wasserwerk, ...: Das ist die Gründung eines neuen Dorfes, Industrie- oder Gewerbegebietes).75 Diese Einmalzahlung macht diese Pacht zu einer Primärpacht.
Passiert automatisch, falls in der Nähe von Typ A Gebäude auf Typ D errichtet werden.
Ermöglicht die Übernahme von Boden, der aktuell als Typ D gepachtet ist (Ausnahme: der bisherige Pächter hat eine Primärpacht in der Nähe), gegen Zahlung einer Basisentschädigung und eines Wertausgleichs für Bebauung.
• Typ A -> D: Es steht dem Staat frei, ob er einem Pächter dieses Downgrade ermöglicht oder nicht. Der Staat kann sich bei unverpachtetem Boden für diesen Kategoriewechsel entscheiden, um Infrastruktur abzubauen und unverhältnismäßig hohe Wartungsausgaben zu beenden.
• Typ A/D -> I: Der Staat kann einen Pachtvertrag (außer für Typ S) beenden, falls er Land für Infrastrukturausbau benötigt. Der bisherige Pächter erhält dafür sowohl eine Basisentschädigung als auch einen Wertausgleich für erfolgte Bebauung (und, um vor Missbrauch zu schützen, zusätzlich eine großzügige Zahlung, falls dieser Boden je wieder verpachtet werden sollte).
Höhe der Grundstückspacht
Die Pachthöhe, die der Staat für ein Grundstück erhebt, ist nicht statisch. Sie wird sich anhand des Grundstückstyps (D, A oder S) und der Region des Landes unterscheiden. Sie wird vom Staat aufgrund gemeldeter Umsätze nach einer festen Formel berechnet und sich von Jahr zu Jahr verändern.
Um die Pacht für ein Grundstück zu ermitteln, erhebt der Staat beim Umsatz von Unternehmen die Information, welchem ihrer Grundstücke welcher Anteil ihres Umsatzes zuzuordnen ist. Grobe Fahrlässigkeit oder bewusste Falschangabe ist strafbar. Für Unternehmen wird es nicht sinnvoll sein, hier absichtliche Falschangaben zu tätigen, da ihnen dadurch kein Vorteil entstehen würde. Und Falschangaben durch Schludrigkeit sollten sich über alle Unternehmen und Grundstücke hinweg weitgehend ausgleichen.
Der für die Pachthöhenberechnung berücksichtigte Umsatz pro m² wird dabei gedeckelt, um Verzerrungen durch extrem hohe Umsätze einzelner Unternehmen zu verhindern (z.B. Finanzgeschäfte).
Mit diesen Informationen wird der Staat für jede Bodenkategorie in jeder Region einen durchschnittlichen Umsatz pro Quadratmeter ermitteln. Für jede Bodenkategorie wird ein bestimmter Prozentsatz dieses durchschnittlichen Umsatzes als Pacht für Boden festgelegt. Somit kann für jedes Grundstück die konkrete Pacht berechnet werden. Die Pachtkosten pro Quadratmeter unterscheiden sich nach Bodentyp und nach Region, aber die Formel ist immer dieselbe, so dass diese Kosten nicht willkürlich sind. Regionen sollten hierbei möglichst groß gefasst werden, damit die Angaben eines Unternehmens möglichst geringe Auswirkungen auf die eigene Pachthöhe haben.
Weitere Einflussfaktoren auf die Pacht sind möglich, um die Pachthöhen fairer zu gestalten, solange 1) die Pachthöhe klar vorhersagbar ist und 2) die durchschnittliche Pachthöhe unverändert bleibt. Beispiel: höhere Pacht, je näher der Boden zum Stadtzentrum oder Bahnhof ist, mit einem Ausgleichsfaktor für die durchschnittliche Entfernung allen verpachteten Bodens dieses Typs.
Der maximale Anstieg der Pacht wird prozentual begrenzt, solange nicht bereits früher höhere Werte erreicht wurden. Er wird aber höher liegen als das durchschnittliche Wirtschaftswachstum. Die Begrenzung dient dazu, sprunghafte Anstiege zu verhindern und die Pachthöhe für die Pächter besser planbar zu machen. In wirtschaftlichen Krisen wirkt die automatische Senkung der Pacht wie eine Entlastung, bei Erholung der Wirtschaft steigt dann aber auch die Pacht ohne Verzug automatisch wieder an.
Der Staat wählt die Pachthöhe (anhand des Prozentwerts des Umsatzes) so, dass sich Angebot und Nachfrage an Boden vom Typ D die Waage halten. Dass also regelmäßig Pachtverträge für so viel Land beendet werden, dass genug für neue zahlungskräftige Interessenten da ist, aber keine zu große Menge Land unverpachtet und somit ungenutzt bleibt.
Die Typen A und S können nach Bedarf neu entstehen, solange die neuen Pächter die nötige Infrastruktur finanzieren. Hier ist Knappheit also nicht im selben Maß ein Problem.
Zusätzlich zur Bodenpacht an sich wird der Staat beim Abbau von Rohstoffen einen Teil des Wertes der abgebauten Rohstoffe als Pacht oder Abgabe erhalten, da sie wie der Boden selbst in staatlichem Besitz sind.
Schutz vor Konkurrenz
Wird mit Boden vom Typ A ein neues Dorf, Industrie- oder Gewerbegebiet gegründet, dann wird meist ein Pächter das gesamte Gebiet im großen Umkreis pachten. Im zu bebauenden Zentrum als Typ A, umgebend als Typ D. Nicht, weil es gesetzlich so vorgeschrieben wäre, sondern weil der Pächter auf diese Weise Land an die tatsächlichen Nutzer vermieten und über die Mietverträge Regeln festlegen kann, an die sich alle zu halten haben. Maximale Lärmpegel, wofür das Land genutzt werden darf und wofür nicht und so weiter. Die Primärpacht, in Kombination mit dem als Typ D gepachteten umliegenden Land, schützt den Pächter dabei vor ungebetenen direkten Nachbarn.
Anreize, Typ A zu nutzen
Auch auf Boden vom Typ D dürfen Gebäude errichtet werden. Seien es Windkraftanlagen, Getreidesilos, eine Gerätehalle oder Gewächshäuser. Aber außer für Strom und Straßenzufahrt (falls angrenzend) erfolgt kein Anschluss an die staatliche Infrastruktur, es gibt keine Haltestellen des öffentlichen Personenverkehrs.
Als zusätzliche Maßnahme, Pächter davon abzuhalten, Wege zu suchen, bebautes Land als Typ D zu pachten, um Geld zu sparen, können wir die Versorgungsnetze nutzen. Diese sind für Strom, Wasser, Abwasser, Internet und Kapselnetzwerk in staatlicher Hand (siehe Kapitel 8.4). Es sollte relativ leicht sein, die Abrechnung so zu organisieren, dass der Staat mit involviert ist (schließlich stellt er das physische Netzwerk und erhält dafür ein Entgelt). Der Staat kann also festlegen, dass für Grundstücke vom Typ D lediglich Strom abgerechnet werden kann, aber nicht Wasser, Abwasser, Internet oder Kapsellieferungen76. Und für Strom kann das vom Staat verlangte Nutzungsentgelt in diesem Fall deutlich höher sein. Der Staat verhindert für Land vom Typ D also aktiv den Anschluss an staatliche Infrastruktur.
Das ist kein Problem für eine Scheune oder Lagerhalle, oder Windräder und Solarmodule, die Strom einspeisen statt ihn zu verbrauchen. Aber sobald Gebäude mehr tun sollen, als Lagerflächen zu bieten und Strom zu produzieren, werden diese Einschränkungen störend genug sein, dass die zutreffende Pachtart „Typ A“ gewählt wird, statt zu mogeln versuchen.77
Standorte der Industrie
Was hindert Industrie und Gewerbe daran, sich in Dörfern und Städten anzusiedeln?
Wenn es unproblematische Arbeitsstellen sind, wie Büros, dann nichts. Werden Boden oder Räume in Gebäuden gemietet statt gepachtet, dann kann der Pächter (=Vermieter) die Regeln festlegen, nach denen die Grundstücke/Räume genutzt werden dürfen.
Solange der Pächter des Dorfes in weiser Voraussicht auch das umliegende Typ D Land gepachtet hat, kann er verhindern, dass sich direkt neben dem Dorf Industrie ansiedelt. Falls nicht, kann er zumindest das Durchfahrtsrecht verwehren. Was aber nicht helfen wird, wenn das Industriegebiet an die staatliche Verbindungsstraße angrenzt.
In Städten wird der Staat zusätzliche hohe Abgaben für alles verlangen, was die Umweltqualität beeinträchtigt. Wenn Industrie oder Gewerbe also Lärm, Abgase oder Ähnliches erzeugen, wird es einfach wirtschaftlich unattraktiv sein, den teuren Bauplatz einer Stadt dafür zu nutzen.
Liegt Boden vom Typ A nicht entlang einer Bahnschiene, muss Warentransport per Lastwagen geschehen. An dieser Stelle kann der Staat mit hohen Abgaben eingreifen, die es unattraktiv machen, fern von Bahngleisen viel zu produzieren, und stattdessen den Warentransport per Schiene favorisieren (und somit an anderen Orten).
Unfreiwillige Pächterwechsel
Warum erlauben wir einen unfreiwilligen Pächterwechsel, wenn jemand Boden vom Typ D als Typ A pachten will?
Weil es als dieser Bodentyp für die gleiche Fläche eine viel höhere Wirtschaftsleistung produzieren wird (als Dorf, Industrie- oder Gewerbegebiet) und der Staat somit auch eine viel höhere Pacht erhält. Die höhere Wirtschaftsleistung kommt dabei der gesamten Gesellschaft zugute, der Staat denkt hier also nicht nur an die eigenen Pacht- und Steuereinnahmen.
Jeder Pachtvertrag kann aufgrund eines Gerichtsbeschlusses verloren gehen oder weil Pacht nicht bezahlt wurde. Abgesehen davon ist Infrastrukturbedarf des Staates der einzige Weg, auf dem ein Pächter Land vom Typ A verlieren kann. Für Typ S besteht auch dieses Risiko nicht.
Verpachtung
Wenn der Staat unverpachteten Boden zur Verpachtung anbietet, dann wird es eine Frist geben, Wünsche zu melden. Jedes Stück Boden, für das es genau einen potentiellen Pächter gibt, erhält dieser auch.
Gibt es für ein Stück Boden mehrere Interessenten, hat Typ A Vorrang vor Typ D.
Gibt es für dieselbe Nutzungsart mehrere Interessenten, dann veranstaltet der Staat eine Auktion. Wer den höchsten Multiplikator der Pachtkosten zu zahlen bereit ist, erhält den Pachtvertrag. Der Multiplikator verschwindet nur wieder, falls der Boden an den Staat zurück gegeben wird.
Gibt es für ein Stück Land keine Interessenten, kann der Staat eine Vergünstigung anbieten, falls er dies für sinnvoll hält: Er bietet den Boden dann mit einem prozentualen Abschlag auf die Pachtkosten an, für eine gewisse Anzahl an Jahren (danach kostet der Boden den normalen jährlichen Pachtbetrag). Alternativ kann er auch einen Teil der einmaligen Anbindungskosten an die staatliche Infrastruktur übernehmen, um beispielsweise die Ansiedlung neuer Industrie zu subventionieren.
Wird bebauter Boden vom Staat neu verpachtet, kann der Staat vom neuen Pächter eine Einmalzahlung für den Wert dieser Bebauung verlangen.
Falls jemand eine Pacht nicht mehr zahlen möchte oder kann, geht das Grundstück wieder in Verantwortung des Staates zurück. Normalerweise wird niemand bebautes Land an den Staat zurückgeben wollen. Wenn der Staat den Pächter nicht dazu gezwungen hat, wird er außer in Härtefällen keinen Ausgleich für den Bebauungswert zahlen. Daher wird jeder Pächter in einem solchen Fall versuchen, einen neuen Pächter für das Land zu finden und von diesem einen Wertausgleich für die Bebauung zu erhalten. Denn ja: Das Übertragen von Pachtverträgen an andere Personen oder Unternehmen ist natürlich möglich.
Anpassung der Pachthöhe
Die Einteilung des Bodens in verschiedene Typen ist in diesem Konzept mit Absicht extrem grob gehalten. Wie im Beispiel der Entfernung zu Stadtzentrum oder Bahnhof lässt sich die Pachthöhe auch so immer weiter an das tatsächliche Potential anpassen, welches jedes Grundstück bietet. Stets mit dem Ziel, dass knapperer Boden teurer zu pachten ist und somit eher dort eingesetzt wird, wo seine speziellen Eigenschaften ein Vorteil sind.
Beispiel: Falls an Seen oder Flüsse angrenzender Boden mehr Einsatzmöglichkeiten hat (Erholung, Industriekühlung, ...), dann kann die Pacht für solchen Boden erhöht werden (und anderswo abgesenkt, damit die Durchschnittspacht unverändert bleibt). Somit weichen Pächter, die keine Nähe zum Wasser benötigen, eher auf anderen Boden aus. Das lässt wassernahe Grundstücke für die Zwecke offen, die davon profitieren. Die Begrenzung des Pachtanstiegs pro Jahr verhindert dabei Schocks, wenn so etwas neu eingeführt wird, und lässt den Pächtern genügend Zeit, sich auf die Veränderung einzustellen.
Natürlich sehen wir diese Effekte auch mit Grundbesitz in privater Hand. Dann sind Grundstücke am Wasser eben teurer. Aber dann ist auch die Wertsteigerung in privater Hand, die lenkenden Effekte auf die Wirtschaft sind weit träger, und das ganze System neigt viel stärker zu Übertreibungen in beide Richtungen, was den Staat instabiler macht.78
Damit bin ich mit der Vorstellung der Regeln des Pachtsystems fertig.
Ich denke, mit diesen Regeln kann man einerseits dafür sorgen, dass das Land die gewünschte Struktur hat (Städte mitten im Wald und dadurch mit Abstand zu Dörfern/Industrie/Gewerbe, Wälder in staatlicher Verwaltung, Industrie an Bahngleisen, ...). Andererseits lassen sie den Einwohnern sehr viele Freiheiten, ihre Pläne nach ihren Vorstellungen realisieren zu können - ausreichend Kapital vorausgesetzt. Denn natürlich wird es nie billig sein, ein Dorf, eine Industrieanlage oder gar eine Stadt aufzubauen.
Dadurch, dass das Land immer in Staatsbesitz bleibt, profitiert der Staat als Ganzes, und somit all seine Bürger, vom Wertzuwachs des Bodens, anstatt dass dieser Gewinn privat ist. Ein guter Teil der nötigen Staatseinnahmen kann über Pacht statt andere Steuern bestritten werden.
Verkauft ein Staat seinen Boden in Privatbesitz, dann ist das vergleichbar damit, wie der Verkauf von Konzerttickets bis vor wenigen Jahren funktioniert hat: Die Tickets waren zum Verkaufsstart sofort weg, normale Konzertbesucher haben sie zu horrenden Preisen auf dem Schwarzmarkt gekauft. Heute dagegen werden die Konzerttickets ganz offiziell zu horrenden Preisen verkauft.
Als Konzertbesucher bezahlt man in beiden Fällen die gleiche hohe Summe. Aber im zweiten Fall ist dieses Geld wenigstens dem Künstler und Veranstalter zugute gekommen, statt dem Schwarzmarkthändler.
In unserem Fall ist der Nutznießer der höheren Pachterträge der Staat, der mit diesen Einnahmen andere Steuern ersetzen, Sozialleistungen oder andere gesellschaftliche Systeme finanzieren kann.
Die Tatsache, dass Landspekulation in diesem Konzept nicht funktioniert (ungenutztes Land kostet den Eigentümer einfach zu viel Geld in Form von Pachtgebühren, und der Wechsel zum Typ A ist kein Abkaufen - der bisherige Pächter bekommt nur eine Basisentschädigung und einen Wertausgleich für Bebauung), wird dafür sorgen, dass Land tatsächlich von denjenigen genutzt werden kann, die im Hier und Jetzt eine Verwendung dafür haben. Die Regeln für die mögliche Landnutzung und die Pachtkosten sind im Vorfeld bekannt, so dass damit geplant werden kann. Und während Geld für Baumaßnahmen natürlich nötig ist, sind keine hohen Kosten für den Grundstückskauf erforderlich, um mit einem Projekt starten zu können. Mit dem Senken dieser Investitionsschwelle sollte ein höheres Wirtschaftswachstum einhergehen.
Ich stelle in diesem Buch keine Zukunftsvision für ein neues Steuersystem vor, genauso wenig wie für ein neues Wirtschaftssystem. Wirtschaft und Steuern sind zu umfangreich und zu komplex, als das ich in einem Buchkapitel etwas vorstellen könnte, das nicht lachhaft unvollständig wäre. Aber ich habe im 5. Kapitel einzelne Bausteine des Wirtschaftssystems neu entworfen (bedingungsloses Grundeinkommen, Kulturpunkte), die das Gesamtsystem meiner Ansicht nach deutlich verbessern würden.
Auch das in diesem Teilkapitel vorgestellte Konzept, von Pacht statt Grundbesitz, ist wieder solch ein Baustein für ein besser funktionierendes Wirtschaftssystem. Zusätzlich hat es aber auch das Potential, das Steuersystem massiv zu vereinfachen. Schließlich ist die Pachthöhe ein prozentualer Anteil des durchschnittlichen Umsatzes, der auf solchem Boden generiert wird.
Ich sehe gute Chancen, dass eine Mehrwertsteuer mit diesem Konzept nicht mehr notwendig ist. Und das wäre extrem hilfreich. Nicht nur, weil der Staat dann nicht mehr über jede Transaktion informiert werden und Bürger und Unternehmen somit weniger stark überwachen müsste. Sondern auch, weil Unternehmen nicht mehr gezielt nach Möglichkeiten suchen müssten, möglichst viele Ausgaben von ihrer eigenen Wertschöpfung abzuziehen, um ihre Steuerzahlungen zu reduzieren.
Stattdessen kann jedes Unternehmen einfach den verbuchten Umsatz (Erlös) an den Staat melden (Grundstücken zugeordnet). Dabei wird keine Unternehmenskategorie benachteiligt, weil es sich einfach als durchschnittliche Pachthöhe wieder auf allen Boden desselben Typs in der Region verteilt. Und der Pachtprozentsatz wird entsprechend niedriger gewählt, weil die Basissumme höher ist als der Teil des Erlöses, auf welchen Unternehmen aktuell Mehrwertsteuer abführen.
Auch Tauschgeschäfte und digitale Währungen werden dadurch weit einfacher handhabbar, da eben nicht mehr alles an den Staat gemeldet werden muss, um einzeln besteuert zu werden.
Andere Steuern für Unternehmen wird es trotzdem brauchen: Auf Unternehmensgewinne, dort wo der Staat zusätzliche Lenkungseffekte erzeugen will, und wo immer ein Unternehmen so gut wie keinen Boden für seinen Umsatz benötigt (z.B. Softwarefirmen oder Banken). Wobei es der Staat durchaus begrüßen wird, wenn Firmen viel Umsatz generieren können, ohne dafür Boden zu benötigen – das ist effiziente Platznutzung...
Diese Zukunftsvision staatlich verpachteten Bodens kann gut als Spiel ausprobiert werden, und das sollte auf jeden Fall geschehen. Es gibt in diesem Konzept einige Regeln, bei denen ich mir nicht sicher bin, wie sie aussehen müssen, um Missbrauch zuverlässig zu verhindern:
Ist die von mir beschriebene Ausnahme für Landübernahme, bei eigener Primärpacht in der Nähe, ausreichend, um stabile Typ-A-Gebiete (Dörfer, Gewerbe, Industrie) zu ermöglichen, ohne von Konkurrenten sabotiert werden zu können? Welche Regeln müssen für Mindestgröße und Zuschnitt von Grundstücken gelten, damit in Dörfern nicht nur die Häuser selbst als Typ A gepachtet werden? Was genau zählt als „Bebauung“ eines Grundstücks? Nach welchen Regeln dürfen Grundstücke von Pächtern geteilt werden, um dann unterschiedlich behandelt werden zu können (z.B. um einen Teil des Grundstücks abzugeben)?
Nur um ein Beispiel für eine weitere Zusatzregel zu nennen, die notwendig sein wird, um Probleme zu verhindern: Wurde ein früher als Typ D verpachtetes Grundstück als Typ A von einem anderen Pächter übernommen, und gibt dieser es später an den Staat zurück, so sollte der alte Pächter ein Vorpachtrecht haben, falls niemand es erneut als Typ A pachten möchte.
Je besser wir im Vorfeld Probleme durch Austesten finden und beheben können, desto besser wird diese Zukunftsvision funktionieren und desto weniger Probleme wird es bei ihrer Einführung geben.
Wenn diese Zukunftsvision gut genug ausgefeilt wird, dass sie wirklich funktioniert, dann hat sie das Potential, Wirtschaft und Steuersystem eines Staates auf eine solidere Basis zu stellen. Dem Staat mehr strukturelle Lenkungsmöglichkeiten zu geben, um die Entwicklung der Wirtschaft langfristig zu optimieren, nach anderen Kriterien als nur dem momentanen Gewinn. Den Staat angemessen am Zuwachs der Wirtschaftskraft und am Gewinn der Unternehmen zu beteiligen, ohne dass dies bei den Unternehmen zu starken Flucht- und Vermeidungsanstrengungen führt. Und mit diesen Einnahmen dann Infrastruktur und gesellschaftliche Systeme des Staates weiter zu verbessern und die Bürger am geschöpften Reichtum zu beteiligen.
Abseits aller Verbesserungen für Wirtschaft und Steuern eines Staates, und der gerechteren Wohlstandsverteilung, ermöglicht diese Zukunftsvision andere Formen der Staatsorganisation, welche ohne diese flexiblere Nutzung des Bodens unmöglich wären.
Aber damit werden wir uns erst im nächsten Kapitel beschäftigen.
Anforderungsabgleich