9. Wohnen

9.3 Städte

Nun endet das Thema „Wohnen“ weder an den eigenen vier Wänden, noch beim Haus, in welchem sich diese befinden. Das Haus befindet sich in einer Stadt oder in einem Dorf. Und auch hier wollen wir wieder überlegen, wie wir Städte und Dörfer auf der grünen Wiese errichten würden, um ein Ziel zu haben, in dessen Richtung man Veränderungen anstrebt.

Mir erscheint es offensichtlich, dass Städte viel lebenswerter und umweltverträglicher wären, falls sich ihr Wohn- und Arbeitsraum in wenigen großen Gebäuden konzentrieren würde, mit viel Grünfläche dazwischen, anstatt das gesamte Stadtgebiet mit niedrigen Häusern zu bebauen und die Lücken mit Straßen zu asphaltieren. Das ist ein entscheidender Grund dafür, dass meine Zukunftsvision eines Hauses in 9.2 ein solch großes Gebäude ist. Beschäftigen wir uns also mit einem neuen Entwurf für Städte, da hier so viel Potential für etwas Besseres vorhanden ist.

Mit dem Stichwort „Solarpunk“ findet man online viele Bilder, wie große Gebäude inmitten von Natur aussehen könnten. Ein Beispiel dafür:

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Es gibt immer noch Zufahrtsstraßen zu diesen Gebäuden, die aber mit Bodenschwellen zum Langsamfahren zwingen und nur für bestimmte Nutzungen befahren werden dürfen, zum Beispiel für Baumaßnahmen oder um Containerwohnungen zu Gebäuden zu bringen. Vergleichbar zu befahrbaren Wegen in Parks. Sonst sind oberirdisch nur Fußgänger und Radfahrer erlaubt. Der normale Verkehr läuft komplett unterirdisch ab.
Das bedeutet zum einen, dass durch mehrere Tunnelebenen ein Verkehrsinfarkt verhindert werden kann – es ist ein dreidimensionales Verkehrsnetz. Zum anderen hält es den gesamten Verkehrslärm von der Oberfläche fern. Kombiniert mit weit auseinander gebauten Hochhäusern (was es den Tunneln leicht macht, die tiefen Fundamente dieser großen Gebäude zu vermeiden) entsteht sehr viel Platz für Grünflächen. Die Stadt ist also eher ein mit Gebäuden gesprenkelter Park.

Die hohe Anforderung, innerhalb einer Stadt ausreichend Grünfläche um das Schulgebäude zu haben, ist in diesem Stadtkonzept plötzlich einfach erfüllbar. Dafür stellt sich dann die Frage, ob die Schule nicht die untersten Stockwerke eines viel höheren Gebäudes füllen sollte, damit der einmal genutzte Bauplatz nicht nur für vier Stockwerke verwendet wird. Weswegen ich diese Option in Kapitel 9.2 mit betrachtet habe.

Ich würde vorschlagen, die Hochhäuser in Vierergruppen zu bauen. Innerhalb der Vierergruppe sind die Hausmittelpunkte 150 Meter voneinander entfernt. Zwischen den Vierergruppen sind es 200 Meter zwischen Hausmittelpunkten. Bei einer Maximalgröße der Gebäude von 50m x 50m sind stets mindestens 100 Meter zwischen 2 Gebäuden frei, so dass sich die Gebäude trotz ihrer großen Höhe gegenseitig so gut wie kein Tageslicht stehlen. Etwa 8% der Stadtfläche sind mit Hochhäusern bebaut, weitere 6% durch Parkstraßen und Wanderwege belegt.

Der verbleibende Bereich innerhalb der Vierergruppe an Hochhäusern liegt in Verwaltung der Stadt. Dort wird die Stadt nichts mit tiefen Fundamenten bauen, und Bebauung muss zu den Tunneln und unterirdischen Stationen passen. Der Platz kann für Freiluftanlagen wie Schwimmbäder oder Sportplätze genutzt werden. Aber auch ein Stadtzentrum mit Marktplatz, Springbrunnen, Cafés, engen Fußgängergassen zwischen niedrigen Häusern und kleinen Geschäften wäre eine Möglichkeit.70 Einfach nur zusätzliche Wohn- oder Gewerbefläche sollte es nicht sein: Das gehört in die Hochhäuser. Stattdessen sollte der Platz für etwas genutzt werden, was allen Anwohnern etwas bringt und unter freiem Himmel besser funktioniert. Daher sollten die Bewohner der umgebenden Hochhäuser, falls irgend möglich, über die Nutzung dieser Fläche mitentscheiden. Etwa 25% Prozent der Gesamtfläche der Stadt liegt in diesen Bereichen (ohne die Hochhäuser selbst), und ich denke ca. 40% davon (10% der Gesamtfläche der Stadt) werden tatsächlich bebaut sein.

Die verbleibenden 3/4 des Stadtgebietes können als Grünfläche gestaltet werden - Bäume und Wiesen. Als Bewohner eines Hauses dieser Stadt hat man also nicht nur eine begrünte Freifläche direkt vor seiner Wohnungstür (9.2). Nimmt man den Lift ins Erdgeschoss und tritt aus dem Haus, ist man ebenfalls sofort mitten im Grünen (oder in der anderen Richtung an einem Schwimmbad, Sportplatz oder kleinem Stadtzentrum).

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Vogelperspektive auf die Stadt

 

Dieses Bild ist zwar stark vereinfacht, aber in all seinen Proportionen korrekt. Entfernt man die Beschriftungen, dann ist das die Vogelperspektive darauf, wie die Stadt in meiner Zukunftsvision aussehen würde (wobei die Tunnel natürlich nicht sichtbar wären).

Die hier abgebildete Stadtfläche (3x2 Vierergruppen von Hochhäusern) hat auf einer Fläche von 1050m x 700m (0,735km²) eine Einwohnerzahl von 14 400 (3x2x4x600). Das entspricht einer Bevölkerungsdichte von fast 20 000 Einwohnern je Quadratkilometer! Aktuell ist Dhaka in Bangladesch mit 30 000 Einwohnern je Quadratkilometer die am dichtesten bewohnte Stadt der Welt. Berlin zum Vergleich liegt bei etwas über 4 000 Einwohnern je Quadratkilometer. Wir dagegen lassen den Großteil unserer Stadtfläche als Grünland! Das ist die Macht eines dreidimensionalen Stadtdesigns.

Wie man in der Grafik gut sehen kann, ist jedes Gebäude aus seinen Kellergeschossen mit je einem Verbindungstunnel an zwei Verkehrstunnel und somit an das unterirdische Straßennetz angeschlossen. Das dient der Robustheit: Falls ein Verbindungstunnel oder ein Verkehrstunnelsegment wegen Bauarbeiten gesperrt werden muss, so hat das Gebäude dennoch weiterhin Zugang zum unterirdischen Verkehrsnetz. Ebenfalls der Robustheit zuträglich ist die Tatsache, dass die vier gruppierten Hochhäuser über diese Verbindungstunnel unterirdisch direkt miteinander verbunden sind. Aufgrund der ringförmigen Struktur bleibt diese Eigenschaft bestehen, falls ein Verbindungstunnel unbenutzbar ist.

In meinem 30-stöckigen Referenzgebäude leben 600 Menschen, in einer Vierergruppe von Hochhäusern somit 2 400 Menschen. Andere arbeiten in den restlichen zehn Stockwerken jedes Hochhauses. Vielleicht gibt es sogar eine Schule in einem der Gebäude. So oder so ist das mehr als genug, um ein Haltepunkt für Busse zu werden.

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unterirdische Verkehrskreuzung (obere ↑ / untere ↓ Ebene)

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Hier der Zoom in den unterirdischen Bereich in der Mitte einer Vierergruppe von Hochhäusern. Außen, beginnend in den Mitten der Gebäude, verlaufen die Verbindungstunnel. Von den Mitten der Verbindungstunnel erfolgt der Zugang zu den Bushalten. Die zwei Verkehrstunnel (Nord-Süd und Ost-West) verlaufen in zwei Ebenen, übereinander. Der obere Verkehrstunnel durchquert die unterirdische Station und trennt sie in zwei Hälften, welche durch Unterführungen miteinander verbunden sind. Über Treppen gelangt man aus der Station hinauf ins Freie, falls man nicht eines der umgebenden vier Gebäude über die Verbindungstunnel erreichen will.

Diese Stationen sind die einzigen Stellen in der Stadt, an denen man dem Verkehrslärm der Straße ausgesetzt ist – welcher weitgehend von Bussen und Lastwagen stammen wird. Die von Nord nach Süd und von Ost nach West verlaufenden Verkehrstunnel sind zweispurig. Sie sind von ihrer Kapazität her aber nicht mit Autobahnen vergleichbar, da der rechte Fahrstreifen ständig für Auf- und Abfahrten genutzt wird, um auf die querenden Verkehrstunnel wechseln zu können.

Nach rechts abzubiegen ist in jeder Verkehrstunnelkreuzung möglich. Nach links geht es nicht direkt, dafür muss man drei Mal nach rechts abbiegen. In Kombination mit den zwei Verkehrsebenen bedeutet das, dass Verkehrstunnel nie Kreuzungen oder Ampeln haben und man auf der linken Fahrspur durchfahren kann. Die zweite Fahrspur dient auch wieder der Robustheit: Ein liegen gebliebenes Fahrzeug ist auf der anderen Spur umfahrbar, ein Überholen langsamerer Fahrzeuge ist möglich.

Von den Abbiegetunneln aus gibt es noch eine unterirdische Zufahrt für Lastwagen zu den Hochhäusern, um größere Warenmengen anliefern oder abholen zu können. Wie man im Bild sehen kann, hat jedes Gebäude eine Gruppierung aus Treppenhaus und Liften in der der Haltestelle zugewandten Ecke, um die Lastwagenzufahrt zu bedienen.

Für den Bahnhof im Zentrum der Stadt wäre es vermutlich das Einfachste, die Zuggleise unterhalb der normalen Verkehrstunnel verlaufen zu lassen. Auf diese Weise kann die Station im Stadtzentrum allen Platz für Busse nutzen, während die Züge auf tieferen Ebenen halten. Auch hier gilt wieder: Dreidimensionales Design ist einem Design auf nur einer Ebene weit überlegen.

Jetzt möchte ich noch zeigen, wie die Realisierung der in Kapitel 8.2 vorgestellten Zukunftsvision für den öffentlichen Personenverkehr hier konkret aussehen könnte. Das folgende Bild zeigt dafür eine größere Stadt, mit ihrem Bahnhof im Zentrum und den sie umgebenden Buslinien, welche von selbstfahrenden Bussen in hoher Frequenz bedient werden.

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Beispiel Buslinien und Zugstrecken (45 Stationen, 108 000 Bewohner, 5,5 km²)

Jede Linie bildet ein Rechteck und verläuft über den Stadtmittelpunkt, den Bahnhof. Alle Busse fahren im Uhrzeigersinn und müssen somit immer nur nach rechts abbiegen (siehe Design der Verkehrstunnelkreuzung). Auch die Buslinien aus den Dörfern der Umgebung steuern alle diese Bahnhofsstation an.
Dadurch, dass jede Linie über den Bahnhof führt, ist jede Bushaltestelle der Stadt mit einmaligem Umsteigen erreichbar und jedes Hochhaus per Buslinie direkt mit dem Bahnhof verbunden. Die hohe Bevölkerungsdichte der Stadt hält diese Strecken kurz und erlaubt einen sehr hohen Takt der Busse: ein Bus aller fünf Minuten ist völlig problemlos möglich. Dank übereinander verlaufender Tunnel und kaum vorhandenem Individualverkehr gibt es keine Staus. In anderen Worten: Mit Bus und Bahn kann man sehr schnell und effizient jeden Punkt dieser Stadt erreichen.

Wenn jedes einzelne Hochhaus in sich selbst viele Annehmlichkeiten bietet und von großen Grünflächen umgeben ist, wenn aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte und des hervorragenden öffentlichen Verkehrsnetzes alles andere nah und schnell erreichbar ist, dann löst sich damit auch ein weiteres großes Problem moderner Städte: Die absurden Mietpreise für Wohnungen in guter Lage. In der hier entworfenen Stadt ist jede Wohnung in guter Lage! Sicher wird es trotzdem beliebtere Hochhäuser und beliebtere Stockwerke geben, aber in viel geringerem Maße als heute bei den völlig unterschiedlichen Preisen je nach Lage der Wohnung. Mit diesem Stadtdesign kann das Angebot mit der Nachfrage Schritt halten, was zu Wettbewerb über die Ausstattung der Häuser und den Preis der Stellplätze für die Wohncontainer führt. Der Wohnungsmarkt wird auch aufgrund des Wohncontainersystems viel liquider sein, da ein Umzug in ein anderes Haus viel weniger Aufwand bedeutet. Selbst ganze Nachbarschaften können gemeinsam umziehen – das sollte pro Wohncontainer sogar deutlich günstiger sein als der Umzug nur eines einzelnen Containers.

 

Die redundanten* Verkehrs- und Verbindungstunnel zwischen den Hochhäusern bilden auch den ersten Teil der Antwort auf eine weitere wichtige Frage: Wie können wir unsere Häuser und unsere Stadt möglichst robust gestalten, damit sie Widrigkeiten so gut wie möglich trotzen kann?

Dass es in diesem Stadtdesign keine Fußgängerwege neben Fahrspuren für Autos, keine Autos in Stadtzentren und ganz allgemein keine Vermischung von Autoverkehr und Fußgängern gibt, erhöht die Sicherheit für Fußgänger enorm. Sowohl in Hinblick auf Terrorangriffe als auch normale Unfälle.
Dass die Stadtinfrastruktur auf das Kapselnetzwerk statt auf Lieferdrohnen setzt, erleichtert die Verteidigungen gegen Drohnen.

Eine Gefahr, welche aufgrund der Lage der Stadt mitten im Wald besonders groß ist, ist die von Waldbränden. Unsere Hochhäuser bringen hier den Vorteil mit, dass sie aufgrund ihrer Baumaterialien sehr brandresistent sind: Ihre Außenfassade und tragende Konstruktion besteht aus Stahl, Glas und Beton. Ihre Lüftungssysteme sind gut genug, dass das Eindringen von Rauch in das Gebäude verhindert werden kann. Und bei der Landschaftsgestaltung um die Hochhäuser können wir darauf achten, dass Feuer dort nicht genug Nahrung findet, um den Hochhäusern gefährlich zu werden. Zum Beispiel durch von Unterholz befreite Bereiche.

Aber Waldbrände sind natürlich nicht das einzig mögliche Problem. Ob Artillerieangriffe und Luftschläge in einem Krieg, Erdbeben, Sabotageakte oder andere völlig unerwartete Krisen: Die Häuser und die Stadt als Ganzes sollten sie so gut wie möglich abfedern können. Sich erst dann darum Sorgen zu machen, wenn die Krise da ist, ist zu spät.

Einen klaren Vorteil, den die Hochhäuser bereits mitbringen, ist, dass sie wesentlich höheren Sicherheitsstandards genügen müssen. Für Krisensicherheit ist das eine gute Investition. Weiterhin habe ich beim Design des Gebäudes und der Stadt auf Redundanz geachtet:

• Treppenhäuser und Lifte sind doppelt ausgelegt, in gegenüberliegenden Ecken des Gebäudes.

• Jede Wohnung hat zwei Fluchtwege.

• Alle Strom-, Wasser- und Datenleitungen im Hochhaus sind redundant ausgelegt (auch wenn meine Architekturzeichnung dafür nicht detailliert genug ist).

• Jedes Gebäude ist mit zwei Verbindungstunneln an zwei Verkehrstunnel und an die anderen drei Hochhäuser der Vierergruppe angeschlossen.

• Die Hochhäuser sind so weit voneinander entfernt, dass Probleme eines Hochhauses (wie ein Brand) nicht auf andere Hochhäuser übergreifen.

Wir haben aber noch eine weitere Ressource zur Verfügung, um die Robustheit zu erhöhen, die wir uns noch nicht angesehen haben: Das Fundament der Hochhäuser. Bereits aus baustatischen Gründen wird es vermutlich mindestens drei Stockwerke tief in die Erde reichen müssen. Und auch, um die Zugänge zu den beiden Verkehrstunneln zu ermöglichen, brauchen wir drei unterirdische Stockwerke, da eine Ebene des unterirdischen Straßennetzwerks fast zwei Gebäudestockwerke hoch ist.

Das von mir in 9.2 vorgestellte Hochhaus hat 20 Wohnstockwerke. In ihm wird das oberste Kellergeschoss für Fahrradkeller, Lagerräume und andere Infrastruktur des Hochhauses benutzt. Jedes der beiden tieferen Kellerstockwerke dient als Rückzugsraum für die Bewohner von zehn Wohnstockwerken, falls dem Hochhaus eine Gefahr droht.71

Hier mein Entwurf dieses Kellergeschosses:

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Grundriss Kellergeschoss

Ich habe den Entwurf nicht bis ins Letzte ausgearbeitet, sondern nur so weit, um die entscheidenden Ideen erklären zu können.

Im normalen Alltag ist der Keller der Weg zu den Verbindungstunneln des unterirdischen Verkehrsnetzes. Die Hausbewohner kommen von den Liften oder Treppenhäusern in den Gebäudeecken und laufen durch den Mittelgang nach Süden in den Verbindungstunnel.
Im dritten Kellergeschoss verlässt der Verbindungstunnel das Gebäudefundament  nach rechts oder nach links statt nach unten. Es ist also ein veränderter Grundriss notwendig, der aber leicht den gleichen Prinzipien folgen kann wie der hier gezeigte.

Der Keller verfügt über Schleusen. Während so etwas für ein normales Haus viel zu teuer wäre, ist es in einem Kellergeschoss, welches für 300 Personen ausgelegt ist, problemlos realisierbar. Die Schleusen müssen durchquert werden, um von den Liften und Treppenhäusern, oder aus dem Verbindungstunnel, in den geschützten Bereich des Kellers zu gelangen. Sie können den geschützten Kellerbereich zum Beispiel durch leichten Überdruck vor gefährlichen Gasen oder giftigem Qualm zu schützen.
Das Treppenhaus rechts in der Mitte, innerhalb des geschützten Bereiches, verbindet (nur) diese tieferen Kellerstockwerke miteinander, damit ein Stockwerkswechsel möglich ist, ohne den geschützten Bereich zu verlassen. Den leeren Bereich oberhalb und rechts dieses mittleren Treppenhauses habe ich nicht ausgestaltet. Hier werden sich Ressourcen wie Wassertanks, Dieselgeneratoren samt Kraftstoff, die zentrale Steuerung und Überwachung des Kellers, sowie andere zentral verwaltete Ressourcen befinden. Der große offene Bereich links davon (138m²) dient als zentraler Treffpunkt für die im Keller Schutzsuchenden.

Nachbarschaften werden in diesem Keller nicht auseinander gerissen. Stattdessen hat jede ihren eigenen in sich geschlossenen Bereich.

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Grundriss Nachbarschaftsbereich

Natürlich ist der Platz hier sehr beengt: Schließlich müssen alle Bewohner von zehn Stockwerken auf nur einem Stockwerk zurechtkommen.
Jede Nachbarschaft hat einen etwa 60m² großen Gemeinschaftsraum. Groß genug, um ihr eine Vollversammlung zu ermöglichen. Jede Nachbarschaft hat einen eigenen Sanitärbereich, mit drei Toiletten und zwei Duschkabinen.

Im Gemeinschaftsraum befindet sich neben einer Küchenzeile auch ein Heimlieferer. Dieser kann von der Nachbarschaft genutzt werden, um Dinge über das Kapselnetzwerk zu versenden oder zu empfangen, soweit dieses funktionsfähig ist (wie in 8.4 beschrieben, ist das Kapselnetzwerk auf Robustheit ausgelegt).
Dieser Heimlieferer ist fest im Gebäude verbaut, und im zweiten Kellergeschoss geht sein Anschluss an das Netzwerk nach unten statt nach oben. Zwischen dem zweiten und dritten Kellergeschoss befindet sich ein dicker Zwischenboden, in welchem unter anderem die Rohre des Kapselnetzwerks verlaufen. Wie in 8.4 beschrieben, muss es im Keller jedes Hauses eine Ebene geben, in welcher Kapselröhren horizontal verlaufen.

Jede Nachbarschaft hat in ihrem Bereich zehn identische Räume, von denen jeder sechs Wohncontainern zusammen gehört. In jedem Raum befinden sich zwei Dreifachbetten (wie Doppelstockbetten, aber mit drei Betten übereinander). Über jedem Bett befindet sich eine Lampe und eine PD-Box (Stromanschluss für Geräte, 8.3), und es kann ein Vorhang vorgezogen werden. Dies ist der minimale private Rückzugsraum, den jeder Bewohner hier hat. Falls es mehr als 60 Bewohner in einer Nachbarschaft gibt, so müssen die überzähligen im Gemeinschaftsraum schlafen.
In jedem der zehn Räume gibt es außerdem sechs große Schränke (130cm x 90cm, bis zur Decke), einen je Wohncontainer. Diese Schränke sind abschließbar. In unserem Bildungssystem (7. Kapitel) hat sich jeder Einwohner mit Notfällen und Katastrophenvorbereitung auseinander gesetzt (die Module „Erste Hilfe“ und „Überleben“ sind verpflichtend). Während einige Dinge wie Strom, Luft und Wasser zentral für den gesamten Keller von der Hausverwaltung gesteuert werden, sind die Bewohner für die meisten Notfallvorbereitungen selbst zuständig. Wie zum Beispiel für Essensvorräte. Mit entsprechendem Vorwissen aus der Schule sollte der Mix der vorhandenen Vorräte so besser sein, als wenn man versucht, dies alles zentral von der Hausverwaltung oder dem Staat managen zu lassen. Es liegt im Eigeninteresse jeden Bürgers, im Notfall nicht mit leeren Händen dazustehen. Die Bereitstellung all dieser Räumlichkeiten ist ein enormer Beitrag zu dieser Notfallvorsorge. Dadurch, dass die Schutzkeller nur 10% der Fläche der Wohnstockwerke einnehmen, sollte ihr Beitrag zu den Mietkosten überschaubar sein.

 

Wenn sich im Haus erfolgreich Nachbarschaften gebildet haben, deren Mitglieder einander tatsächlich kennen und sich gegenseitig unterstützen, dann steht in diesem Schutzkeller im Ernstfall niemand alleine da. Jeder hat andere Menschen um sich, auf welche sich er oder sie verlassen kann.

Im Alltag kann der Gemeinschaftsraum im Keller der Nachbarschaft für normale Zwecke wie Feiern eingesetzt werden. Das ist schon deshalb nützlich, weil so zum Beispiel Probleme mit den Küchengeräten oder Rohren auffallen.

Ich denke, mit diesem Entwurf einer Stadt wird die Gesellschaft mit Katastrophen weit besser zurechtkommen, als dies in westlichen Industriestaaten aktuell der Fall ist. Das Bildungssystem leistet hier natürlich einen ganz entscheidenden Beitrag: Nur wenn die Menschen im Notfall einen kühlen Kopf bewahren, werden sie richtig handeln. Wir geben ihnen dafür so viele Mittel, wie wir können, mit auf den Weg.

Einen Vorteil dieser ausgebauten Keller und unterirdisch vernetzten Hochhäuser möchte ich noch einmal hervorheben: Es heißt nicht umsonst, dass moderne Städte hervorragende Verteidigungspositionen abgeben. Wir haben hier zwar kein dichtes Häusermeer - dafür aber aus sehr widerstandsfähigen Materialien konstruierte Gebäude und dank der Keller und Tunnel schwer zu erobernde Städte. Im Notfall kann sich jedes Hochhaus in eine eigene Festung verwandeln.
Ich möchte hier nicht weiter darauf eingehen, wie eine Gesellschaft ihr Verteidigungsbudget am besten investiert. Aber mit guter Planung ist es weit günstiger, eine Defensivarmee aufzubauen, als eine Angriffsarmee vergleichbarer Stärke. Zumindest zu dem Punkt, dass ein Angreifer das Interesse an einem Überfall verliert.[47]
Sich gut verteidigen zu können ist nicht nur sehr hilfreich, falls das eigene Land überfallen wird: Eine gute Vorbereitung kann den Überfall verhindern und der ganzen Gesellschaft so großes Leid zu ersparen.

Gehen wir von dieser Betrachtung der Notfälle noch einmal zurück zum normalen Leben in der Stadt. Wie könnte es aussehen? Für jemanden, der in dieser Stadt wohnt, in einer Containerwohnung, in einer Nachbarschaft in dem von mir vorgestellten Haus: Wie würde sich sein Leben vom Leben in unserem heutigen städtischen Wohnumfeld unterscheiden?

Denken wir uns dafür ein fiktives Beispiel aus. Wir wollen uns das Leben von Sarah ansehen. Sarah ist Single und lebt in einer Ein-Container-Wohnung in einer Nachbarschaft in der von mir entworfenen Stadt. Sie arbeitet in einem Büro. In ihrer Freizeit spielt sie Theater, geht gerne raus ins Grüne, verbringt Zeit mit ihren Freunden und hält sich mit Yoga fit.

Sarah hat in einer anderen Stadt gelebt, bevor sie den Job hier gefunden hat. Eine Zeit lang wohnt sie deshalb einfach in demselben Hochhaus, in welchem sich auch ihr Büro befindet.
Mit der Zeit lernt sie über die Theatergruppe neue Freunde kennen. Einige von ihnen wohnen in einer Nachbarschaft in einem Hochhaus, etwa 700 Meter entfernt.72
Nachdem sie dort viele schöne Abende mit ihren Freunden verbracht und auch immer mehr andere Menschen dieser Nachbarschaft kennengelernt hat, entschließt sie sich, umzuziehen. Sie mietet einen freien Wohnungsslot in dieser Nachbarschaft an und lässt für ein paar hundert Euro ihren Container umsetzen.
Seitdem hat sie einen kurzen Spaziergang durchs Grüne, um zu ihrer Arbeit zu kommen, was sie aber überhaupt nicht stört. Dafür hat sie jetzt gute Freunde in ihrer Nachbarschaft und fühlt sich in ihrem Umfeld sehr wohl. Sie beginnt jeden Morgen mit Yoga auf der Freifläche vor ihrer Wohnung, und zwei ihrer Freunde haben angefangen, dabei mitzumachen. Sie und ihre Freunde besuchen sich am Abend oft gegenseitig, zum Beispiel um sich einen Film anzusehen. Aber meistens sind sie draußen auf der Freifläche statt in einer der Wohnungen. Sei es für ein gemeinsames Abendessen, einen Brettspielabend oder einfach zum gemütlichen Zusammensitzen. Selbst die Theaterproben finden draußen statt. Das ist das Gute daran, dass die Freifläche überdacht ist: Sie kann auch im Winter und bei Regen genauso gut genutzt werden.

Wenn das Wetter gut ist und sie für sich sein möchte, dann unternimmt sie gerne lange Wanderungen. Entweder direkt vor ihrer Haustür startend oder nach einer kurzen Fahrt mit dem Bus zu einem anderen Startpunkt.

Ein eigenes Auto besitzt Sarah nicht. Erstens wäre das viel zu teuer, zweitens besitzt dieses Hochhaus gar keine Tiefgarage. Und drittens: Wofür sollte sie es denn brauchen? Kleine Besorgungen kommen über das Kapselnetzwerk. Wenn sie shoppen gehen möchte, dann gibt es ein Hochhaus 400m von ihrem entfernt, wo die untersten beiden Stockwerke eine große Shoppingmeile bilden. Viele Geschäfte dort haben sich darauf spezialisiert, dass man Dinge anprobieren, ausprobieren und kosten kann, um sich vom Versandhandel abzuheben. Die Einkäufe von dort bekommt sie völlig problemlos mit dem Bus nach Hause, wenn sie einmal groß und sperrig sind. Sie könnte theoretisch ein Auto der gewünschten Größe anmieten, bei dem sie dann am Touchscreen das Ziel eingibt und sich fahren lässt. Aber ehrlich gesagt, hat sie das noch nie gebraucht. Mit Bus und Zug kommt sie problemlos, schnell und kostenfrei in jede Ecke des gesamten Landes.

Anforderungsabgleich

Anforderung

Merkmale der Zukunftsvision

geringe Ansprüche an Charakter der Menschen

• Überwachung der Regeln (Bauanforderungen, Straßennutzung, ...) ist gut möglich.

• Dörfer existieren als Alternativen.

keine Weltregierung

Unproblematisch

Kosten betrachtet

• Dank Einwohnerdichte hohe Effizienz, geringere Infrastrukturkosten je Bürger.

• Da alle Lagen gut sind, gibt es keine absurden Mietpreise für gute Wohnungslagen.

automatische Anpassung an sich verändernde Welt

Nein. Städte sind physische Infrastruktur, die gebaut werden muss.

Hilfe für Bürger, mit Veränderungen mitzuhalten

Erholsamere Umgebung: Die Stadt ist ein mit Hochhäusern gesprenkelter Park.

technologische Entwicklung fördern

Nicht relevant.

Robustheit, um Widrigkeiten zu trotzen

• unterirdisches Verkehrsnetz

• Jede Vierergruppe Hochhäuser ist unterirdisch als Ring verbunden.

• Abstand der Hochhäuser isoliert Probleme.