9. Wohnen

9.1 Containerwohnungen

Wir hatten im Kapitel 2.5 festgehalten, dass wir mit diesen Zukunftsvisionen den Menschen dabei helfen wollen, in einer sich immer schneller verändernden Welt zurechtzukommen. Dazu gehört, dass wir es ihnen erleichtern wollen, etwas zu verändern, wenn es notwendig ist.

Etwas, was im Moment nur mit sehr viel Zeit und Geld veränderbar ist, ist der eigene Wohnort. Es ist ein riesiger Aufwand, zunächst für Wohnungsbesichtigungen an den neuen Wohnort zu fahren, vor dem Umzug alles in Kisten zu packen, große Möbelstücke auseinanderzubauen, dann Freunde oder ein Umzugsunternehmen alles in einen Lastwagen einladen zu lassen, und am Zielort angekommen alles in die neue Wohnung zu bringen. Bis dann alle Möbel aufgebaut und Kisten ausgepackt sind, geht noch einmal einiges an Zeit ins Land. Und selbst das deckt noch nicht alle Nachteile eines Umzugs ab: Vieles wird verloren gehen oder beschädigt werden. Nicht umsonst heißt es: „Drei Mal umgezogen ist wie einmal abgebrannt.“

In früheren Zeiten, als es völlig normal war, sein ganzes Leben im selben Ort zu leben, war das kein großes Problem. Es gab nur einen Umzug im Leben: Aus dem elterlichen Haus, um eine eigene Familie zu gründen.
Heute dagegen sieht das völlig anders aus: Der erste Umzug ist der aus dem Elternhaus für Studium, Berufsausbildung oder ein soziales Jahr. Danach zieht man erneut um, um seine erste Arbeitsstelle anzutreten. Oft wird ein Umzug nötig, wenn man die Arbeitsstelle wechselt oder sich am eigenen Beziehungsstatus etwas ändert. Der hohe Aufwand für Umzüge entsteht heute also viel häufiger. Und es ist nicht absehbar, dass es in Zukunft wieder seltener wird.

Ich habe eine spannende Idee dafür, Wohnortswechsel grundlegend anders zu gestalten.

Ich habe ja bereits für das Kapselnetzwerk aufgezeigt, wie ein System mit einheitlichen Größen, für welches überall die passende Infrastruktur vorhanden ist, viel effizienter sein kann als maßgeschneiderte Größen für jede einzelne Lieferung (klassische Paketdienste).

Das Frachtwesen hat dies bereits erkannt und weltweit umgesetzt. Container haben das Verschicken von individuell verpackter Fracht zu großen Teilen ersetzt. Hafenanlagen, LKWs und Zugwaggons - alles ist auf die einheitlichen Größen der Standardcontainer abgestimmt.

Von verschiedenen Firmen gibt es bereits Angebote, im Containerformat Wohnraum zu kaufen.[44] Entweder, weil er nur übergangsweise benötigt wird (Bauarbeiter), oder weil es besonders preiswert ist.

Von den verschiedenen normierten Standardmaßen für Container ist „40 Foot High Cube“ für Wohnraum der am besten geeignete Container. Er hat die Außenmaße (LxBxH) 12,2m x 2,4m x 2,9m.64[45]

Ich möchte hier aufzeigen, was im Vergleich zu den existierenden Insellösungen möglich wäre, wenn es einen Standard für solche Containerwohnungen gäbe, der über den bloßen Formfaktor hinausgeht.

Was genau sind die Vorteile, die der Formfaktor an sich bereits bringt? Warum gibt es heute bereits Wohnungen im Containerformat?

• Die Wohnung kann in einer Fabrik hergestellt werden, statt an dem Ort, an dem sie sich später befinden wird. Das ist viel günstiger, und es eröffnet neue Möglichkeiten der Wohnungsgestaltung.

• Die Wohnung kann auch danach als Ganzes per LKW, Zug oder Schiff umziehen. Kein Kistenpacken und Möbelzerlegen notwendig!

Welche zusätzlichen Vorteile sind erreichbar, indem man einen Standard für Containerwohnungen schafft und Häuser entwirft, in welche so standardisierte Wohnungen wie Bausteine eingesetzt werden können?

• Die Containerwohnung kann die Anschlüsse für Wasser und Strom des Hauses nutzen und dank Standardisierung leicht angeschlossen werden.

• Die Containerwohnung kann die Isolierung des Hauses nutzen, was der Containerwohnung Platz und Kosten spart.

• Es ist klar, dass die Containerwohnung ins Haus passt. Vor einem Umzug wird ein Besichtigungstermin in vielen Fällen verzichtbar sein. Vor allem bei Umzügen in weite Ferne ist das ein großer Vorteil.

• Der Vermieter geht ein viel geringeres Risiko ein, da der Mieter seine Wohnung selbst mitbringt. Platz für einen Container zu mieten, wird einfacher sein als heute eine Wohnung.

• Ein Wechsel des oder der Container ist möglich, indem alte und neue Container vorübergehend in der gleichen Etage im gleichen Haus eingesetzt werden. Der Umzug in eine solche Nachbarwohnung ist viel einfacher und entspannter als ein klassischer Umzug.

Etwas, was mit Standardisierung natürlich verloren geht, ist Individualität. Viele Menschen würden ähnliche oder gleiche Wohnungen besitzen, während heute fast jede ein Unikat ist. Ist die Wohnung im Austausch dafür besser und günstiger, hätten die meisten Menschen damit aber kein Problem. Auch Kleidung wurde früher ja von Hand hergestellt. Jedes Kleidungsstück war ein Unikat. Dafür war es aber auch um ein vielfaches teurer. Obwohl heute jeder weiterhin die Möglichkeit hat, sich individuelle Kleidungsstücke selbst zu fertigen, tun dies doch nur die wenigsten.

Für teure Dinge, welche eine Funktion im Leben der Menschen zu erfüllen haben, ist Massenproduktion in einer Fabrik der Individualanfertigung weit überlegen. Das gilt für das Messer genauso wie für das Smartphone oder das Auto. Wer viel Geld hat und es einsetzen möchte, um etwas Individuelles zu erwerben, der kann dies natürlich stets tun. Es sollte aber eben stets eine freiwillige Entscheidung sein, mehr Geld auszugeben - kein Zwang, weil eine Massenproduktion für diesen Gegenstand nicht existiert.

 

Die Frage, ob Massenproduktion von Wohnungen eine gute Idee wäre, ist damit hoffentlich beantwortet. Die schwierigere Frage ist natürlich, ob in diesem Format gute Wohnungen überhaupt machbar sind. Der Grund dafür, dass es bisher nur freistehende Containerwohnungen gibt, ist, dass nur so Fenster in mehrere Richtungen realisierbar sind. Schiebt man Containerwohnungen dagegen in ein Haus wie Jengasteine, dann gibt es nur auf einer schmalen Seite des Containers ein Fenster. Wird das nicht viel zu düster? Dazu kommt, dass ein Container mit der Grundfläche von 12,2m x 2,4m ein ziemlicher Schlauch ist. Ist damit überhaupt ein sinnvoller Grundriss umsetzbar?

Um diese Fragen zu klären, habe ich eine Wohnung im Containerformat entworfen, die wir uns gleich ansehen werden. Abzüglich der Außenwände bietet ein Container ein Innenmaß von 11,7m x 2,3m, also knapp 27m². Das ist also nur eine kleine Singlewohnung. Wir werden uns danach auch eine Wohnung mit zwei Containern nebeneinander ansehen. Aber starten wir zunächst mit der schwierigsten Aufgabe, mit nur 27m² in Schlauchform etwas zu erreichen.

Die lichte Höhe der Räume beträgt 250cm. Die verbleibenden 39cm der 2,9m Containerhöhe verteilen sich auf:

• je 6cm für Fußboden und Decke

• 23cm für einen Zwischenboden, in welchem Rohre und Kabel liegen und unbenutzte Wandstücke verstaut werden können

• 2cm für die Fußbodenheizung

• 2cm für die Bodenplatten, welche den Zwischenboden abdecken

 

Diese Aufteilung der Höhe ist für alle Container gleich. Dank der Fußbodenheizung muss kein Platz für Heizkörper geopfert werden.

Die Außenwand des Containers (Fensterseite) ist 30cm dick, um gut zu isolieren. Die Längsseiten des Containers sind wie Fußboden und Decke 6cm dick. Entlang der Längsseiten können 60cm breite Wandstücke entfernbar sein.65

Entfernte Wandstücke können im Zwischenboden verstaut werden. Dort sind frei zugängliche Bereiche dafür vorzusehen. Diese Bereiche sind von der Fußbodenheizung ausgenommen. Auf 25cm Höhe können somit bis zu vier Wandstücke übereinander gelegt werden.

Diese Wandstücke sind Standardteile. Abgesehen von Farbe und Muster der Innenseite sind sie alle gleich und zwischen verschiedenen Containern austauschbar. Normalerweise sind Wandstücke nur von innerhalb des Containers auf- und wieder abbaubar, schon aus Sicherheitsgründen. Da es aber auch Container ohne eigene Eingangstür geben wird, gibt es alternativ auch Wandstücke, die von außen auf- und zugeschlossen werden können und im aufgeschlossenen Zustand von außen entfernbar sind.

Image19Genauso wie bei meinem Entwurf für ein Schulgebäude gilt auch für meine Wohnungsentwürfe: Ich bin kein Architekt. Doch die Entwürfe reichen, um zu zeigen, dass zumindest dies hier möglich ist. Sobald Architekten verschiedener Unternehmen darum konkurrieren, möglichst gute Wohnungen in diesem Format zu entwerfen, die dann in die Massenproduktion gehen, werden entsprechend den Gesetzen der Marktwirtschaft sehr gute Lösungen gefunden und umgesetzt werden.

 

Diese Wohnung besteht aus einem Eingangsbereich, einem kleinen Flur, einem Bad mit Dusche und WC, einer Wohnküche und einem kombinierten Wohn-, Arbeits- und Schlafzimmer.

 

Gehen wir die Räume der Reihe nach durch.

 

Image20

Im Eingangsbereich befindet sich rechts neben der Eingangstür der Heimlieferer (siehe Kapitel 8.4). Der Heimlieferer muss quer stehen und 10cm von der Containerkante entfernt beginnen, da genau hier der Schacht des Kapselnetzwerks verläuft. Die Schutztür des Heimlieferers sichert diesen Zugang zur Wohnung nochmals ab. Um Platz für den Schacht zu schaffen, ist die Decke hier um 40cm abgesenkt (210cm lichte Höhe). Die restlichen 20cm Schachthöhe sind Teil der Stockwerkdecke des Hauses.

Davon abgesehen ist der Eingang mit einem Schuhregal, Spiegel, Hocker, einem großen Schrank und mit Kleiderhaken ausgestattet.

Über der Tür befindet sich eine weitere Öffnung in der Wand, in den Kapselschacht hinein. Diese Öffnung versorgt den Eingangsbereich mit frischer Luft.66 Ein weiterer Lüftungsschacht führt rechts unter der Decke vom Schacht des Heimlieferers ins Bad.

Image21

Nach dem Eingangsbereich betritt man einen kleinen Flur, in welchem in einer Nische ein Schrank steht. Vom Flur führt nach rechts eine Tür ins Bad. Das Bad besteht aus einem Waschbecken mit Badschrank darüber, WC, Handtuchhaken, einer Duschkabine und einem kleinen Regal.

Hinter der Duschkabine ist der Wartungszugang zum Wasser- und Stromspeicher der Wohnung. In diesem Quader zwischen Bad und Küche befinden sich oben Wassertanks und unten Akkumulatoren.

Dieser Wasser- und Stromspeicher ist die konkrete Umsetzung der in Kapitel 8.4 angedachten Notfallreserve. Er ist in meinem Entwurf verbaut, um der Anforderung zu entsprechen, dass Zukunftsvisionen widerstandsfähig sein sollten. Wenn man auswählt, für welche Containerwohnung man sein Geld ausgibt, dann sollte man nicht nur darauf achten, eine möglichst funktionale Wohnung zu einem guten Preis zu bekommen. Sondern auch darauf, dass man auf Notfälle (wie zum Beispiel einen Wasser- oder Stromausfall) so gut vorbereitet ist, wie vernünftig möglich.
Wassertanks, ein paar zusätzliche Rohre, Ventile die über das PD-System steuerbar sind und ein Steuerelement, um die Wasserversorgung umzuschalten: All dies ist preisgünstig realisierbar.
Stromspeicher sind dagegen deutlich teurer. In dem Quader hinter dem Bad ist daher einfach Platz für Akkumulatoren vorgesehen, so viele die Besitzer der Wohnung eben anschaffen wollen. Über das PD-System können sie, falls vorhanden, leicht in das intelligente Stromsystem der Wohnung eingebunden werden.

Image22

Die Wohnküche wird von einem Tisch und den ihn umgebenden Stühlen dominiert. Die vordere Hälfte dieses Tisches kann nach unten weggeklappt werden, wodurch er sich in eine (etwas niedrige) Arbeitsplatte verwandelt. Diese kann dann nach oben an die Wand geklappt werden. Die vier Küchenstühle können gestapelt und so ebenfalls verstaut werden. Womit in der Küche dann plötzlich Platz ist.

Rechts neben der Tür befindet sich der Kühlschrank. In der Ecke versteckt sich der Wasser- und Stromspeicher (aus der Küche nicht zugänglich). Dann folgt die Küchenzeile, mit Spüle, Herdplatten, Spülmaschine, Mikrowelle und Stauraum. Links von der Küchenzeile ist Platz, um die gestapelten Küchenstühle verstauen zu können. In dieser Ecke befindet sich ein tiefes Vorratsregal für Lebensmittel. Neben der Glastür befindet sich dann nochmals ein Regal, für weiteren Stauraum.

Die Tür zum Wohnzimmer, und das Wandstück oberhalb dieser Tür, sind aus Glas. Dadurch kann Tageslicht aus dem Wohnzimmer in die Küche fallen.

Image23

Der letzte Raum dieser kleinen Wohnung ist ein kombiniertes Wohn-, Arbeits- und Schlafzimmer. Links neben der Tür steht ein großes Regal, rechts ein Kleiderschrank. Links hinter dem Schrank befindet sich ein höhenverstellbarer Schreibtisch, mit Bürostuhl davor. Vor dem großen Fenster befindet sich ein Ecksofa, welches zum Bett umgeklappt werden kann. Der Couchtisch davor kann dazu zusammengeklappt und zwischen Sofa und Wand verstaut werden, unterhalb des Fernsehers.

Der Aufwand, das Sofa jeden Tag zum Bett umbauen zu müssen, ist einer der nötigen Kompromisse, um in dieser kleinen Wohnung alles Nötige unterbringen zu können. 27m² sind einfach zu wenig für ein separates Schlafzimmer.

Insgesamt ist es also definitiv möglich, in diesem Containerformat eine schöne kleine Singlewohnung einzurichten. Und obwohl nur eine schmale Seite ein (großes) Fenster hat, bekommt die Wohnung ausreichend Licht. Tageslichtlos sind lediglich Bad, Flur und Eingangsbereich, was kein Problem darstellt.

Image24Wie angekündigt, sehen wir uns als nächstes eine Beispielwohnung an, die aus zwei benachbarten Containern besteht. Sie soll beispielhaft zeigen, wie der Wohnraum erweitert werden kann. Genauso gut sind dann natürlich auch drei, vier oder noch mehr Container nebeneinander möglich. Damit dies möglich ist, befinden sich Container stets nahtlos direkt nebeneinander, ohne eine Zwischenwand des Hauses.

Der rechte der beiden Container entspricht weitgehend der Ein-Container-Wohnung, die wir uns soeben angesehen haben. Der erste Unterschied ist eine Öffnung im Flur, welche in den zweiten Container führt. Folgen wir aber zunächst der Tür in die Küche, welche in diesem Wohnungsentwurf eine amerikanische ist - nämlich im selben Raum wie das Wohnzimmer.

Image25

Hier haben wir keinen Tisch im Küchenbereich, sondern stattdessen nur eine Arbeitsplatte. Sie kann ebenfalls zur Wand weggeklappt werden. Und sie ist höher, da sie keine Zweitfunktion als Tisch erfüllen muss. Der Vorratsschrank entfällt zugunsten großzügigerer Raumgestaltung. Wir werden Lagermöglichkeiten an anderer Stelle finden.

Image26

Der Essbereich befindet sich stattdessen im Wohnzimmer, welches sich über die Breite beider Container erstreckt. Im Zentrum des Zimmers befinden sich der Esstisch und daran sechs Stühle. Zwei weitere Stühle sind aktuell zur Seite gestapelt und können an die Stirnseiten gestellt werden. Insgesamt können hier acht Personen zusammen essen, das Doppelte der halb so großen Ein-Container-Wohnung. Alle Stühle können einen Stapel bilden, der Tisch kann zusammengeklappt daneben an die Wand gelehnt werden. Vor der Couch befindet sich derselbe zusammenklappbare Couchtisch, der also ebenfalls beiseite gestellt werden kann. Somit kann im Wohnzimmer bei Bedarf eine große freie Fläche geschaffen werden, die vielfältig nutzbar ist.

Rechts an der Wand findet sich ein Wohnzimmerregal, gefolgt von einem Arbeitsplatz, bestehend aus Schreibtisch und Bürostuhl. Das Sofa lässt sich auch hier zum Bett umklappen, was in dieser Wohnung aber nur bei Gästen notwendig sein wird.

Neben dem Sofa ist ein Stück der Wand entfernbar, um eine Erweiterungsmöglichkeit der Wohnung zu einem dritten Container zu eröffnen. Es folgt ein weiteres Regal, und eine Schrankwand mit einer großen Auslassung für einen Fernseher, gegenüber dem Ecksofa.

Image27

Biegt man im Flur dagegen nach links ab, wo in der kleinen Wohnung nur eine Wand war, steht man vor einem Vorhang, welcher einen kleinen Lagerraum verdeckt. Auch wenn er klein ist, so bietet er doch die ca. 2,7fache Lagerfläche, verglichen mit dem Lagerregal, welches in der kleinen Wohnung stattdessen in der Küche stand.

Am Ende des Lagerraums verbirgt sich ein Stück entfernbare Wand, um eine Erweiterung der Wohnung um einen weiteren Container zu ermöglichen (die Lagerregale und der Vorhang werden dafür dann entfernt).

Links und rechts vor dem Lagerraum führt je eine Tür in nahezu identische Räume. Um sie zu betreten, steigt man eine 20cm hohe Stufe nach oben.

Image28

Dies ist der dem Wohnzimmer zugewandte der beiden Räume. Durch die Stufe hat er nur eine lichte Höhe von 2,30m (verglichen zu 2,50m im Rest der Wohnung). In der Mitte des Raumes decken vier Platten einen Hohlraum ab. Zusammen mit dem Zwischenboden (in welchem in diesem Bereich keine Rohre oder Kabel liegen), ist der Innenraum dieses verborgenen Kastens über 40cm hoch. Bei einer Länge von 200cm und einer Breite von 140cm, ist dies Platz genug für eine Matratze und darauf liegendes Bettzeug.

Die vier Platten können links neben der Tür zwischen Kleiderschrank und Wand verstaut werden.

Somit kann dieser Raum eine doppelte Rolle einnehmen. Nachts ist er ein Schlafzimmer, mit großem Bett und Kleiderschrank. Tagsüber dagegen ist er ein Arbeits- oder Hobbyraum, oder auch ein Kinderzimmer. Mit Arbeitstisch, Bürostuhl und ausreichend Stauraum im Schrank+Regal links des Arbeitstisches. Dank der entfernbaren Platten ist der Umbau zwischen diesen beiden Rollen viel weniger Arbeit als das Umklappen eines Sofas in ein Bett.

In der Wand vor dem Arbeitstisch sind die obersten 60cm Glas. Somit kann viel Licht aus dem Wohnzimmer in diesen Raum fallen. Ist das nicht erwünscht, weil in diesem Raum jemand schlafen möchte, im Wohnzimmer aber Licht brennt, dann kann das Rollo heruntergelassen werden. Diese Glasfläche wird auch ankippbar sein, um den Raum über das Wohnzimmer lüften zu können.

Der gegenüberliegende, gleich ausgestattete Raum hat dieses Glasfenster an der Decke nicht. Stattdessen hat er einen Lüftungsschlitz (vergleichbar dem Eingangsbereich). Der Raum Richtung Hausflur hat also die bessere Luft, der Raum Richtung Wohnzimmer das bessere Licht.

Tendenziell wird der Raum in Richtung Flur, mit dem Lüftungsschlitz, eher als Schlafzimmer eingesetzt werden und somit tagsüber seltener benutzt. Der hier abgebildete Raum, mit dem Glasfenster, dagegen eher als Kinderzimmer oder als Hobbyraum. Somit profitiert er häufiger vom Tageslicht. Wird er als Hobbyraum genutzt, kann er in Zweitfunktion auch als Gästezimmer dienen, schließlich ist das Bett unter dem Fußboden ja trotzdem da.

In dieser Wohnung kann ein Paar ganz wunderbar wohnen. Durch die beiden zusätzlichen Schlaf-/Arbeits-/Hobbyzimmer kann sich einer der beiden Partner stets gut zurückziehen. Etwas, was in der Singlewohnung nicht vernünftig möglich war.

Auch eine Familie mit einem Kind kann in dieser Wohnung gut leben. Einer der beiden Räume ist das Schlafzimmer der Eltern, das andere das Kinderzimmer. Erst bei mehreren Kindern ist eine Vergrößerung des Wohnraums nicht mehr zu vermeiden (das wäre dann die Erweiterung um einen dritten Container).

Man kann in diesem Format also schöne Wohnungen designen! Häuser, die dafür gebaut wurden, solche Containerwohnungen zu beherbergen, möchte ich im folgenden „Containerhäuser“ nennen. Sie enthalten Wohnungsslots (Plätze, in welche eine Containerwohnung eingesetzt werden kann), die sie vermieten. Die Containerwohnungen selbst gehören meist ihren Bewohnern (so wie heute Autos meist ihren Fahrern gehören).

Wie erhalten die Containerwohnungen Strom und Wasser vom Containerhaus? Wie erfolgt der Zugang zur Wohnung?

Vor der Eingangstür des Containers befindet sich der Hausflur, aus dem die Containerwohnung betreten werden kann. Der Schacht des Kapselnetzwerks oberhalb der abgesenkten Decke des Containeranfangs versorgt flurseitige Räume der Containerwohnung mit frischer Luft. Unterhalb des Fußbodens des Containers befindet sich ein zugänglicher Zwischenboden und die Fußbodenheizung. In Höhe des Zwischenbodens wird die Containerwohnung an die Fernwärme (für die Fußbodenheizung), sowie an das Strom-, Wasser- und Abwassernetz des Hauses angeschlossen.

Der Wasseranschluss der Wohnung besteht aus drei Leitungen: Trinkwasser, Brauchwasser und Warmwasser. Warmwasser wird vom Haus bereitgestellt, weil dies immer deutlich effizienter ist, als dies in jeder einzelnen Wohnung zu realisieren. Brauchwasser kann ein Haus Containerwohnungen optional bereitstellen. Dabei handelt es sich um Regenwasser oder anderes nicht aufbereitetes Wasser. Keine Trinkwasserqualität, aber gut genug, um sich damit duschen zu können. Falls vorhanden, bietet diese Leitung den Bewohnern eine gewisse Notwasserversorgung, da sie auch funktioniert, wenn das öffentliche Wassernetz trockenliegt.

Wichtiger für die Notfallvorsorge ist aber die Speicherbox der Wohnung. In ihrer oberen Hälfte befinden sich ein Tank für Brauchwasser, sowie zwei große Notwassertanks, die mit Trinkwasser gefüllt werden. Die Speicherbox der vorgestellten Beispielwohnungen bietet mit Grundmaßen von 70cm x 80cm etwa 50 Liter Kapazität je 10cm Höhe. 300 Liter je Tank sollten also machbar sein, falls sie so groß sein sollen.67

Die beiden Notwassertanks werden im Wechsel befüllt und benutzt. Die Nutzung dieses wenige Tage alten Wassers sollte neben der Toilette auch für Dusche und Spülmaschine problemlos möglich sein. Sobald ein Notwassertank leer ist, wechselt die aktive Nutzung zum zweiten, und der erste wird neu befüllt. So ist immer ein voller Notwassertank vorhanden, mit nur wenige Tage altem Wasser. Bei einem Wasserausfall ist einstellbar, dass auch die Wasserhähne Wasser aus diesem Tank erhalten.

Die Notwassertanks sind so abgedichtet, dass keine Keime eindringen können, und sie messen über Sensoren die Wasserqualität. Es könnten verschiedene Methoden zum Einsatz kommen, um das Wasser in ihnen besser haltbar zu machen. Zum Beispiel ein chemischer Zusatz oder eine Erhitzung des leeren Tanks, bevor er neu befüllt wird.

Brauchwasser wird normalerweise für die Toilettenspülung genutzt. Bei einem Wasserausfall ist auch die Dusche auf Brauchwasser umschaltbar – entweder direkt aus der Brauchwasserleitung oder aus dem Tank dafür (sie ist ja direkt neben dem Brauchwassertank). Das ist sinnvoll, um Brauchwasser im Falle eines Wasserausfalls für andere Zwecke als die Toilettenspülung einsetzen zu können.

Wasser aus Dusche oder Badewanne kann nochmals aufgefangen und für die Toilettenspülung genutzt werden. Diese Mehrfachverwendung senkt den Wasserverbrauch der Wohnung, und sie sorgt dafür, dass die Tanks bei einem Wasserausfall länger ausreichen.

Letztlich stammt die Möglichkeit, einen ausgeklügelten Wasserkreislauf in jeder Wohnung zu verbauen, wieder aus dem Containerkonzept: Daraus, dass jedes Wohnungsmodell einmal designt und dann sehr oft gebaut wird. Zusammen damit, dass dieser Bau dann effizient in einer Fabrik geschieht, ermöglicht dies den Einbau von Lösungen, die in Einzelanfertigung nicht zu praktikablen Kosten umsetzbar wären.

Wie würden Containerhäuser aussehen, in welche solche Wohncontainer eingesteckt werden können?

Das werden große Gebäude.

Image29

Grundriss einer Etage eines Containerhauses

Ich habe hier einmal ein Stockwerk eines einfachen Containerhauses skizziert, welches in einer Häuserreihe steht und daher nur an zwei Hausseiten Fenster hat. Vorne an den Schmalseiten der Container, und hinten beim Treppenhaus und den Gemeinschaftsräumen (siehe Kapitel 8.1). Das ist damit eines der kleinsten denkbaren Containerhäuser. Wir werden uns im nächsten Teilkapitel gleich ein viel größeres Containerhaus ansehen. Dieses Beispiel dient dazu, zu zeigen, dass auch eine Integration in bestehende Städte durchaus machbar ist (solange die Häuser die dafür mindestens nötige Tiefe haben und die Straße vor dem Haus breit genug ist).
Im Beispiel sind hier zwei Ein-Container-Wohnungen und zwei Zwei-Container-Wohnungen eingesetzt. Natürlich sind beliebige andere Kombinationen von Wohnungsgrößen möglich.

Ist ein Wohnungsslot aktuell nicht belegt, so müssen die schmalen Containerseiten abgedeckt sein. Ich würde vorschlagen, dies mithilfe nach oben wegklappbarer Wandstücke zu realisieren, vergleichbar zu Garagentoren. Sind diese elektronisch gesteuert, muss niemand in leere Wohnungsslots klettern, nur um die Abdeckung an der Gebäudeaußenwand zu öffnen oder zu schließen.

Dort, wo die Wohnungsslots belegt sind, dienen die Schmalseiten der Container also selbst als die Außenwand des Hauses, respektive als die Wand zum Hausflur. Da die Container zu verschiedenen Zeiten und von verschiedenen Herstellern produziert wurden, werden Haus- und Flurwandfarbe daher bunt gescheckt sein. Genau eine Farbe und Musterung für die Containerschmalseiten vorzuschreiben, erscheint mir als zu eintönig, falls es denn überhaupt befolgt würde. Entweder man freundet sich damit an, dass es so aussieht, weil es eben das Effizienteste ist (so wie wir uns mit funktionalem Design angefreundet haben, ohne die Schnörkel, die Haushaltsgegenstände früher hatten). Oder man verpasst Containerwohnungen austauschbare Hüllen (so wie viele Smartphones heute austauschbare Rückseiten haben). Alles, was es dazu bräuchte, wären dafür vorgesehene Halterungen an den Außenseiten der Container. Dann könnten Zubehörfirmen passende Verzierungen in verschiedenen Farben und Materialien anbieten.
Hausflurseitig ist das einfach genug anzubringen. An der Außenwand dagegen müsste dies durch das Fenster passieren, ohne dass jemand sich gefährlich weit herauslehnen muss. Ich weiß noch nicht wie, aber wenn man will, findet sich auch dafür sicher eine technische Möglichkeit.
Eine solche Schutzschicht auf der Außenwand hätte zusätzlich den Vorteil, den restlichen Container vor Witterung zu schützen und so seine Langlebigkeit zu erhöhen (da die verwitterte Verzierung leicht austauschbar ist).

 

Wie würde ein Beispielumzug ablaufen, wenn man in der von mir vorgestellten Zwei-Container-Wohnung wohnt, in diesem Containerhaus?

Zunächst wird das neue Containerhaus am Zielort gesucht und gefunden. Onlinerecherche, Telefonate, E-Mails. Da der neue Wohnort nur 200km entfernt liegt, auch ein Besuch vor Ort, um den neuen Wohnort in Augenschein zu nehmen. Anders als bisher wird es ein Hochhaus werden. Nachdem der Wohnungsslot im neuen Containerhaus reserviert ist, wird alles andere organisiert. Arbeit, Schule, Kindergarten - diese Dinge müssen natürlich alle geklärt sein.

Dieser Umzug wird komplett über die Straße passieren. Eine Kombination mit Zug oder Schiff wäre natürlich ebenso möglich.
Für den Umzugstag werden zwei Sattelzüge angemietet und für den Startort ein Wohnungsheber - spezialisierte Kranfahrzeuge, die man in dieser Zukunftsvision in jeder Stadt mieten kann, um Wohnungen umzusetzen.

Am Vorabend des Umzugs und am Umzugsmorgen werden Geschirr und andere zerbrechliche Dinge eingepackt und die Türen aller Möbel gesichert. Da diese Wohnungen dafür ausgelegt sind, so umzuziehen, verfügen sämtliche Möbelstücke über solche Sicherungen - die gleichzeitig auch als Kindersicherungen fungieren.

Außerdem werden die im Fußboden verstauten fehlenden Wandstücke der Container wieder eingesetzt, sowie die Verbindungen zur Strom-, Fernwärme- und Wasserversorgung durch das Haus gelöst. Sobald Wohnungsheber und Sattelzüge da sind, wird als letztes die Verankerung der Container im Haus gelöst.

Von außen schauen die Bewohner jetzt zu, wie der Kran des Wohnungshebers den ersten der beiden Container aus dem Haus zieht. Der Container sitzt auf zum Haus gehörenden Schienen auf, vergleichbar einem Computerserver in einem Serverrack.

Image30

Danach hebt der Wohnungsheber den Container von den Schienen und auf den Sattelauflieger des Sattelzuges. Das Ganze wird für den zweiten Wohncontainer und den zweiten Sattelzug wiederholt. Da unsere Bewohner kein eigenes Auto haben und die Fahrt nicht allzu lang ist, fahren sie auf den Beifahrersitzen der Sattelzüge mit. Alternativ hätten sie auch im eigenen Auto folgen oder mit dem Zug zum Zielort fahren können.

Nach etwa drei Stunden kommen die Sattelzüge am Zielort an. Das Hochhaus, in welchem zwei leere Wohnungsslots gemietet wurden, hat als Vorbereitung deren Wandstücke zur Decke weggeklappt und die Schienen ausgefahren. Das Hochhaus verfügt über einen fest verbauten Wohnungsheber auf seinem Dach, der einen Container nach dem anderen auf die ausgezogenen Schienen hebt und dann ins Haus schiebt.

Jetzt kann die Containerwohnung betreten und verankert werden. Strom, Fernwärme, Wasser und Abwasser werden an das Haus angeschlossen, die Wandstücke entfernt und verstaut. Das Geschirr kann wieder ausgepackt und die Schränke entriegelt werden.

Damit ist der gesamte Umzug ohne großen Stress an einem Tag abgewickelt, und die gleiche Wohnung kann an ihrem neuen Standort in vollem Umfang genutzt werden.

Anforderungsabgleich

Anforderung

Merkmale der Zukunftsvision

geringe Ansprüche an Charakter der Menschen

• Containerwohnungen werden aus Eigeninteresse genutzt (Preis-/Leistungsverhältnis).

• Klassische Wohnungen existieren als Alternative weiterhin.

keine Weltregierung

• Containerstandard existiert bereits.

• Containerwohnungsstandard etabliert sich, wenn ein Land ihn umsetzt.

Kosten betrachtet

Es ist günstiger als das existierende System (Vergleich handgenähte Kleidung).

automatische Anpassung an sich verändernde Welt

Nein. Der Containerwohnungsstandard muss bei Bedarf manuell angepasst werden.

Der Wohnungsmarkt insgesamt kann sich aber viel besser an veränderte Anforderungen anpassen (z.B. benötigte Wohnungsgrößen).

Hilfe für Bürger, mit Veränderungen mitzuhalten

• Umzug und Wohnungswechsel sind viel einfacher möglich.

technologische Entwicklung fördern

• Führt zu schnelleren Innovationszyklen, da Wohnungen in einem bestehenden Haus ersetzt werden können.

Robustheit, um Widrigkeiten zu trotzen

• Strom- und Wasserspeicher

• effizientere Wassernutzung