6. Gesundheitswesen

6.5 Polikliniken

Sprechen wir jetzt über die Polikliniken. Was genau meine ich damit? Wie sollten sie organisiert sein? Wie wird entschieden, wo sie sich befinden?

In unserem System soll eine Poliklinik ein Gebäude in staatlicher Verwaltung sein, dem Ärzte zugeordnet sind. Für diese Ärzte stellt die Poliklinik Räumlichkeiten, Verwaltung und gemeinsam genutzte Ressourcen wie Anmeldung und Wartezimmer zur Verfügung. Jede Poliklinik achtet darauf, alle Fachrichtungen zu beherbergen, die für den Check-up-Tag der Bürger notwendig sind. Jede Poliklinik ist für etwa 4 000 Bürger zuständig und beherbergt etwa 20 Ärzte, von denen wenigstens vier Allgemeinärzte sein sollten (damit arbeiten 50% aller Ärzte in Polikliniken).

Jede Poliklinik stellt Ärzte paarweise je Fachgebiet ein, also zum Beispiel zwei Zahnärzte. Die Poliklinik wird darauf achten, dass sich diese beiden Ärzte gut verstehen und gut miteinander arbeiten können. Zum einen teilen sie sich die Räumlichkeiten: Zu jedem Zeitpunkt wird nur einer der beiden mit Patienten arbeiten. Der andere Arzt kann gleichzeitig nur Schreibtischarbeiten erledigen. Zum anderen teilen sich die beiden ein Budget für Gerätschaften (je nach Fachgebiet unterschiedlich hoch). Das ist wieder etwas, das der Staat nicht mikromanagen möchte. Die Ärzte sollen entscheiden können, wofür sie die begrenzten Mittel am besten einsetzen. Wichtig: Die Geräte sind an die Poliklinik gebunden, nicht an den Arzt! Wechselt ein Arzt in ein anderes Haus, ziehen die Geräte nicht mit um. Das ist unter anderem deswegen wichtig, weil die zwei Ärzte desselben Fachbereiches gemeinsam entscheiden, welche Geräte sie anschaffen wollen. Und für einige Gerätschaften, die Ärzte verschiedener Fachbereiche nutzen können, haben mehrere Ärzte ihr Budget zusammengelegt. Die Bestellung wird dabei zentral über die Poliklinik/den Staat abgewickelt. Aber die Geräteauswahl bestimmen die Ärzte.

Dass sich stets zwei Ärzte einen Satz an Räumlichkeiten teilen sollen, und daher nicht gleichzeitig Patiententermine haben können, ist kein so großes Problem wie es sich anhört. Zum einen sollte an 7 Tagen in der Woche ein Arzt jeden Fachbereiches in der Poliklinik sein. Da jeder Arzt aber nur 5 Tage die Woche arbeitet, sind es also 10 Arbeitstage auf 7 Wochentage. Es doppeln sich also nur 3 der 7 Wochentage. Zum anderen haben ja Ärzte auch einmal Urlaub oder sind selbst einmal krank. Der tatsächliche Anteil an Überschneidungen wird also noch etwas geringer sein, vielleicht im Schnitt 2 Tage die Woche.

Jedes Ärztepaar wird die Arbeitszeiten untereinander abstimmen, so dass es überschneidungsfrei ist (wie gesagt: Es ist wichtig, dass sich die beiden verstehen). Eine solche Absprache könnte zum Beispiel so aussehen:

An Tagen, an denen nur einer der beiden Ärzte arbeitet, arbeitet er oder sie von 8:00 bis 17:00, mit einer Stunde Mittagspause in der Mitte.
An Tagen, an denen beide arbeiten, arbeitet einer von 6:00-11:00 und von 12:00-15:00, der andere von 10:00-13:00 und von 14:00-19:00. Es gibt insgesamt drei Stunden, die sich überschneiden (10:00-11:00, 12:00-13:00 und 14:00-15:00). In diesen drei Stunden hat also jeweils einer der beiden keine Patiententermine. Was an diesen Tagen 90 Minuten Büroarbeitszeit je Arzt bedeutet. Außerdem ist an diesen Tagen von 6:00 bis 19:00 durchgängig ein Arzt verfügbar, also insgesamt 13 Stunden. Wie man sieht, sind auch das durchaus vernünftige Arbeitszeiten. Und es ist ja auch nur ein Beispiel dafür, wie die beiden sich abstimmen könnten.

Der entscheidende Vorteil für die Staatskasse ist, dass diese Organisationsweise die Kosten für Gerätschaften und Räumlichkeiten glatt halbiert! Abgesehen davon ist es nur mit zwei Ärzten je Fachbereich und Poliklinik überhaupt handhabbar, stets alle Ärzte für die Check-up-Tage anwesend zu haben. Und selbst dann werden noch einige Springer benötigt, wenn in einer Poliklinik einmal beide Ärzte gleichzeitig ausfallen (Das passiert ja bereits, wenn ein Arzt zwei Wochen Urlaub hat und der andere seine arbeitsfreien Tage in der Woche).

Auch an anderen Stellen sehe ich Vorteile, einen Arztkollegen zu haben, mit dem man eng zusammenarbeitet. Wenn man einen schwierigen Fall hat, kann man diesen mit jemandem durchsprechen. Auch eine gemeinsame Konsultation ist leicht organisierbar. Der Staat mikromanagt nicht. Es gibt keine Regel, die sagt: So etwas geht nicht! Alles was der Staat tut, ist zu kontrollieren, wie gut das Ergebnis ist. Das macht er so objektiv wie möglich und bezahlt die Ärzte entsprechend. Alles andere ist der Eigenverantwortung der Ärzte überlassen.

Natürlich könnte man die Polikliniken auch größer dimensionieren: Zuständig für 8 000 Einwohner, mit 40 Ärzten, 2x2 Ärzte je Fachbereich. Damit würde das Konzept genauso gut funktionieren, es wäre sogar mischbar: Einige große Polikliniken und einige kleine. Und einige Gerätschaften müssten in der großen Poliklinik nur einmal vorhanden sein, statt doppelt in den beiden kleinen. Auf der anderen Seite kann ich mir aber gut vorstellen, dass das Arbeitsklima in einer Poliklinik mit 20 Ärzten, wo jeder jeden kennt, angenehmer und unbürokratischer ist. Auch ist mit mehr Polikliniken die Entfernung zu den Patienten im Schnitt kürzer. 20 Ärzte ist die minimale Größe, die funktioniert, daher habe ich mein Konzept mit dieser Größe erklärt.

 

Was ist mit Krankenhäusern?

Im Vergleich zu den Polikliniken, in denen sich die Ärzte weitgehend selbst organisieren, herrscht hier ein viel geordneterer Ablauf. Schließlich müssen für die stationären Patienten stets ausreichend Ärzte anwesend sein.

Das bedeutet, dass der Staat nicht so einfach jedem Arzt Ergebnisse zuordnen kann, da der Arzt nicht alleine für den Patienten zuständig ist und auch nicht unabhängig entscheidet.

Statt jetzt zu versuchen, aus den Zufriedenheits-, Kompetenz- und Effizienzdaten des ganzen Krankenhauses ein Konzept zu entwickeln, das zu den richtigen Anreizen für alle Beteiligten führt, schlage ich etwas Simpleres vor.

Der Staat vermeidet Mikromanagement der Ärzte, indem er sie nach ihrem Erfolg bezahlt. Zusammen mit ihrem Berufsethos haben sie dadurch die Motivation, das Richtige zu tun. Mit Geld ein Krankenhaus als Ganzes zu motivieren, das wird nicht funktionieren. Aber wir können den Kreis motivieren, die Krankenhäuser in seinem Gebiet gut zu verwalten! Tut ein Kreis das nicht, dann ist das ein sehr gutes Thema für den dortigen Wahlkampf. Lokale Belange sollten lokal sein. Und welche Probleme ein jeweiliges Krankenhaus hat, das ist definitiv lokal.

Der Staat weiß anhand der Auslastung der Ärzte in Polikliniken, wie hoch der Bedarf an ärztlicher Versorgung in jedem Kreis ist. Das hängt schließlich nicht nur von der Einwohnerzahl ab, sondern auch von der Altersstruktur der Bevölkerung des Kreises, den großen Arbeitgebern und regionalen Besonderheiten. Der Staat legt also einen Anteil der Ausgaben für das Gesundheitswesen fest, das in Krankenhäuser investiert werden soll. Diese Mittel werden anhand des soeben berechneten Bedarfs auf die Kreise verteilt. Die Kreise dürfen dieses Geld nur für Krankenhäuser ausgeben (der Staat kontrolliert die Ausgaben).

Somit kann jeder Kreis frei entscheiden, wo er ein oder mehrere Krankenhäuser haben möchte. Von wem diese wie geleitet werden, wie genau über die Ausgabe der Finanzmittel entschieden wird, wie viele Ärzte welcher Fachrichtungen beschäftigt werden und so weiter. Und da die komplette Entscheidungsgewalt beim Kreis liegt, können die Politiker die Verantwortung auf niemand anderen abwälzen, wenn es nicht läuft. Alle Möglichkeiten, aber eben auch die volle Verantwortung. Da das Geld zweckgebunden ist, kann kein Kreis mit diesem Geld den allgemeinen Haushalt sanieren. Das Geld für Krankenhäuser muss für Krankenhäuser ausgegeben werden oder es verfällt.

Diese Art der Geldzuteilung an die Kreise sollte übrigens einen Strukturvorteil für ärmere Kreise bedeuten, da das Lohnniveau und die Lebenshaltungskosten dort niedriger sind. Mit dem gleichen Geld sollte dort also mehr zu erreichen sein (weil zum Beispiel Grundstückspreise niedriger sind).

Ich denke, im Laufe der Zeit wird sich hier ein gesunder Wettbewerb zwischen den Kreisen entwickeln, eine gute Gesundheitsversorgung über die Krankenhäuser zu bieten. Während ich „Bildung ist Ländersache“ für problematisch halte (siehe Kapitel 7.1), sollte „Krankenhäuser sind Sache der Kreise“ besser funktionieren. Hier gibt es viel schnelleres Feedback ob etwas funktioniert oder nicht, und auch inkompatible Lehrpläne und Abschlüsse sind kein Problem.

Die Entscheidungsfreiheit der Kreise hat dabei aber Grenzen: Jeder Bürger hat Anspruch auf eine gute Gesundheitsversorgung. Und es gibt einen definierten Katalog von Gesundheitsleistungen, für die der Staat bezahlt. Kreise können bei ihren Krankenhäusern also nicht einfach tun und lassen, was sie wollen.

Da der Staat sämtliche Gesundheitsdaten der Bürger verwaltet, sind auch die Krankenhäuser verpflichtet, diese Daten an den Staat zu übermitteln.

Genauso wie bei den Ärzten nimmt der Staat auch hier Stichproben vor, um die Kompetenz der Krankenhäuser zu messen. Über die Gesundheitsapp können die Bürger auch die Krankenhäuser bewerten, so dass auch für die Krankenhäuser ein Zufriedenheitswert vorliegt.
Weist ein Krankenhaus einen Patienten wegen Überfüllung ab, ist es verpflichtet, ihn an ein anderes Krankenhaus zu vermitteln. Auch diese Vorgänge werden vom Staat erfasst.
All diese Daten macht der Staat öffentlich. Die erste Verteidigungslinie ist daher, dass kein Kreis vor seinen Bürgern geheim halten kann, wenn seine Krankenhäuser nicht gut funktionieren.

Sinken die Kompetenz- und Zufriedenheitswerte der Krankenhäuser eines Kreises zu tief oder weisen sie zu viele Patienten ab (und belasten so die Krankenhäuser der umliegenden Kreise), dann schreitet der Staat ein. Der Staat hat Mitarbeiter als Eingreiftruppe für solche Fälle. Das Geld wird dann nicht mehr an den Kreis überwiesen, sondern der Staat verwaltet die Krankenhäuser dieses Kreises direkt. Und die Eingreiftruppe hat alle Befugnisse, um Probleme zu beheben (Einstellungen und Entlassungen, Zusammenlegung oder Umzug von Krankenhäusern, Durchforsten aller Unterlagen und so weiter). Alle Erkenntnisse und vorgenommen Änderungen werden öffentlich gemacht. Inklusive der Erkenntnisse, wer wann welche schlechten Entscheidungen getroffen hat, die zu dem Schlamassel geführt haben. Das sollte ziemlich blamabel für die lokalen Politiker sein und so eine zusätzliche Motivation, es nicht so weit kommen zu lassen. Sobald die Probleme nachhaltig behoben sind, und frühestens nach der nächsten Kreiswahl, werden die Krankenhäuser zurück in die Verwaltung des Kreises entlassen.