3. Begrenzter Planet Erde
3.1 Klimawandel
Wie wir gesehen haben, ist Fortschritt sowohl eine große Chance, als auch ein großes Risiko.
Eine große Chance, weil er uns eine Vielzahl an neuen Möglichkeiten eröffnet und ein besseres Leben verspricht.
Ein großes Risiko, weil er für uns immer schwerer beherrschbar wird, und die neuen Möglichkeiten auch immer neue Wege umfassen, uns selbst zu vernichten.
Aufgrund der immer schnelleren Veränderungen haben viele Menschen Angst vor der Zukunft. Bereits in „2.3 Fortschritt und der Mensch“ sind wir darauf eingegangen, dass der Fortschritt nicht stoppbar ist, da er vom Wettbewerb zwischen Gesellschaften, Staaten, Firmen angetrieben wird.
Aber selbst wenn wir es könnten, wäre es eine gute Idee, den Fortschritt auszubremsen, all die Veränderungen langsamer angehen zu lassen?
Es gibt da noch etwas Wichtiges, das exponentiell wächst. Die Anzahl der Menschen auf der Erde. Und mit ihnen der Ressourcenverbrauch der Menschheit.
Wie für jedes exponentielle Wachstum gibt es auch hier wieder eine Begrenzung: Die Erde selbst. Der Platz, den die Erde uns bietet, ist groß aber endlich. Gleiches gilt für ihre Ressourcen. Sei es Öl, Sand, seltene Erden, Ackerflächen, was auch immer.
Dass ein exponentieller Anstieg der genutzten Menge einer endlichen Ressource nicht ewig gut gehen kann, ist erstmals 1972 mit dem Bericht und Buch „Die Grenzen des Wachstums“, veröffentlicht vom Club of Rome, in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.[16]
So wie ich es im 2. Kapitel getan habe, nimmt sich das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ viel Zeit, zunächst exponentielles Wachstum zu erklären und warum es zu Problemen führt. Das Buch benutzt eine Computersimulation, um Szenarien der zukünftigen Entwicklung durchzurechnen. 1972 war das eine echte Neuerung.
Heute dreht sich die öffentliche Diskussion meist um den Klimawandel. Aber das ist letztlich nichts als ein Teil und eine Auswirkung dieses fundamentalen Problems: Dass die Ressourcen der Erde endlich sind. Hier eben konkret die begrenzte Menge an Treibhausgasen, welche sich in der Atmosphäre befinden können, ohne dass das ernsthafte Folgen hat.
Beschäftigen wir uns daher zunächst nur mit diesem Thema, da es die aktuelle Diskussion so sehr beherrscht. Um es abzugrenzen: Es geht hier also erst einmal nur um den Anstieg der Durchschnittstemperaturen und die Folgen davon. Alles andere, bei dem wir uns als Menschheit durch schlechten Umgang mit der Erde langfristig schaden, wie Überfischung, Abholzung des Regenwaldes, Verschmutzung von Flüssen, usw. - damit beschäftigen wir uns im nächsten Teil des Kapitels („3.2 Ressourcenknappheit“).
Ich möchte auf die Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels nicht im Detail eingehen, weil wir es für unsere Betrachtung nicht brauchen. Wer sich für den aktuellen Stand der Forschung interessiert (und/oder selbst nachprüfen will, auf welcher Studiengrundlage das basiert), den verweise ich auf den IPCC Report von 2023.[17]
Für unsere Betrachtung ist nur die Tatsache wichtig, dass sich die Erde als Folge der höheren Konzentration von CO2 und anderer Treibhausgase in der Atmosphäre schnell erwärmt (um ca. 0,2-0,3°C je Jahrzehnt). Dass sich als Folge dessen das weltweite Klima verändert. Und dass diese Veränderung mit mehr Extremwetterereignissen einhergeht.
Beantworten wir zunächst einmal die Frage, ob das überhaupt ein Problem ist. Schließlich hatte die Welt in früheren Erdzeitaltern einen deutlich höheren CO2 Gehalt, und mehr CO2 in der Atmosphäre lässt die Pflanzen besser wachsen. Der Anstieg des Meeresspiegels um ca. 10cm je Jahrzehnt ist beherrschbar. Das Aussterben von Tieren und Pflanzen liegt zum weit überwiegenden Teil am Raubbau des Menschen an der Natur, nicht am Klimawandel (der Klimawandel ist nur ein zusätzlicher Stressfaktor für durch andere Ursachen geschwächte Arten). Bleiben noch die Extremwetterereignisse. Da entstehen natürlich Probleme und Kosten. Aber es ist ja nicht so, als ob es nicht bisher schon Extremwetterereignisse gab. Dass es in Zukunft mehr davon gibt, ist also schlecht, aber ebenfalls beherrschbar.
Ich denke, die Sichtweise, dass der Klimawandel keine Katastrophe ist, ist gerechtfertigt. Das heißt aber nicht, dass er gut ist, oder dass wir nicht versuchen sollten, ihn zu vermeiden oder wenigstens zu bremsen.
Die Erde ist ein riesiges und enorm komplexes System. Durch die Erhöhung der Temperatur verändern wir dieses System stark. Und das hat chaotische Folgeeffekte, die wir bis jetzt nur in groben Zügen überblicken können. Der Klimawandel wirkt sich ja nicht überall gleich aus. Die lokalen Temperaturen im Laufe der Jahreszeiten, vorherrschende Winde und Meeresströmungen und ihr Einfluss auf die lokalen Temperaturen, die lokalen Niederschlagsmengen und ihre Verteilung über das Jahr - all diese Dinge werden sich von Region zu Region unterschiedlich ändern, und es gibt kein Computermodell, welches das zuverlässig vorausberechnen könnte. Die Erde ist ein dynamisches System, mit Kipppunkten. Es kann sich also lange Zeit scheinbar nur sehr wenig tun, dann plötzlich sehr viel sehr schnell.
Ein Beispiel für eine starke lokale Änderung und Kipppunkte ist der Golfstrom. Aufgrund der zunehmenden Erwärmung kann es passieren, dass er aufhört.[18] Dies würde in Europa zu einem Temperaturabfall zwischen unverändert und bis zu -30°C (Kontinentaleuropa ohne Dänemark, Norwegen, Schweden: bis -15°C) führen, je nach Monat und Ort. Im Winter und im Norden mehr, im Sommer und Süden weniger.

Selbst mit der gegenläufigen Erwärmung durch den Klimawandel hätten wir ohne den Golfstrom in Europa sibirische Temperaturen, inmitten der globalen Erwärmung (Südamerika würde dafür deutlich wärmer). Ob dieser Kipppunkt des Golfstroms in einem Jahr oder in siebzig Jahren erreicht wird, und ob der Prozess dadurch praktisch unumkehrbar wird (da es ein sich selbst verstärkender Prozess ist), ist unbekannt. Diese Simulation macht auch keine Aussage, wie lange es dauert: 100 Jahre sind die Obergrenze, wenn sich der Salzgehalt viel langsamer ändern würde als in der realen Gegenwart.
Diese Ergebnisse entstammen einer aktuellen Studie zum Golfstrom. Es ist unwahrscheinlich, dass sie das letzte und exakt zutreffende Wort dafür ist, was auf Europa zukommt.
Ich habe sie euch als Beispiel dafür gezeigt, wie schwer die Folgen des Klimawandels und der Kipppunkte der Erde vorherzusagen sind. Und dass es eben zu simpel ist, zu sagen, dass die ganze Erde einfach langsam etwas wärmer wird. Das Entscheidende ist, dass sich das Klima ändern wird, und zwar deutlich. Und die Menschen werden sich darauf einstellen müssen.
Teile der Erde, in denen bisher intensive Landwirtschaft betrieben wurde, bekommen dafür plötzlich nicht mehr genug Niederschlag (z.B. der Westen der USA). Andere Gebiete, in denen es für Landwirtschaft bisher zu kalt war, können jetzt dagegen erschlossen werden (z.B. Sibirien).
Einige Gebiete, in denen bisher sehr viele Menschen leben, werden lebensfeindlich heiß (z.B. Indien). Andere Gebiete, die bisher lebensfeindlich kalt waren, sind jetzt bewohnbar.
Und es ist ja nicht so, als ob die Welt ein einheitliches Staatsgebilde wäre, mit einer Sprache und Kultur, und einer gemeinsamen Wirtschaft. Dass die Leute also einfach anfangen könnten, umzuziehen und Felder in neuen Gebieten anzulegen.
Stattdessen gibt es plötzlich hunderte Millionen Inder, die in Indien nicht mehr vernünftig leben können und entsprechend leiden. Russland dagegen ist immer noch ein großes leeres Land, weil niemand einwandern will, um dann unter russischer Herrschaft zu leben. Solcher Bevölkerungsdruck kann Kriege auslösen.
Und selbst wo solche Migrationen* möglich sind: Es ist ein riesiger Aufwand, neue Städte, Straßen und Infrastruktur aufzubauen, da wo sie jetzt notwendig sind, nur um alte Städte und Straßen an den dann unbewohnten Orten verfallen zu lassen. Andere Gebiete sind zwar weiterhin bewohnbar, aber die Landnutzung muss sich ändern, was ebenfalls große Ausgaben bedeutet.
Und warum das alles, warum all dieser zusätzliche Stress für die menschliche Gesellschaft, wie auch für das Ökosystem Erde? Einfach nur, weil wir nicht wissen, was wir eigentlich tun. Es gibt keinen großen Plan, Klimagase in die Atmosphäre zu pusten, weil eine wärmere Erde für uns besser wäre. Es passiert einfach, weil sich das eben zufällig so ergibt, wenn man fossile Brennstoffe verbrennt.
Wäre es nicht besser, das Ganze zu steuern?
Die Kosten, welche durch die Anpassung an neue klimatische Bedingungen entstehen, sind enorm hoch. Falls wir im Vergleich deutlich weniger Geld ausgeben können, um die Veränderung auszubremsen, dann könnten wir uns als Menschheit enorme Mühen und Leid ersparen!
Natürlich hemmt uns hier der dystopische Zukunftsblick, über den wir im 1. Kapitel gesprochen hatten. Alle Maßnahmen zum Gegensteuern, die wir ergreifen, sind politische Maßnahmen, nichts, das sich aus marktwirtschaftlichen Anreizen von alleine ergibt. Und sie sind der Minimalkonsens der Hunderten an Staaten, aus denen unsere Erde besteht. Daher besteht dieser Konsens bisher nur aus „Wir sollten die Menge an Treibhausgasen, die wir ausstoßen, reduzieren.“
Was ja nicht falsch ist. Aber mit Blick auf die technischen Möglichkeiten, die wir als Menschheit bereits jetzt haben und in den nächsten Jahrzehnten gewinnen werden, sollte das doch nicht das Ende der Möglichkeiten sein, oder?
Immerhin entstehen jetzt in den USA erste Testanlagen, die mithilfe verschiedener Möglichkeiten Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernen und einlagern. Falls wir das kostengünstiger tun können, als den Ausstoß der Treibhausgase zu verhindern, dann haben wir ein mächtiges neues Werkzeug, das wir beliebig skalieren können. Und mit dem wir unseren CO2 Ausstoß sogar unter 0 drücken können!
Besser. Aber immer noch bei weitem nicht das Ende dessen, was uns dazu einfallen sollte.
Der Lösungsvorschlag, den ich machen möchte, ist nicht von mir. Er stammt aus einem hervorragenden YouTube Video von Isaac Arthur.[20]
Übersetztes Zitat (Zeitstempel 13:20): „Wenn du einen Topf mit Wasser hast, kannst du etwas Salz hinzufügen, damit er erst bei einer höheren Temperatur kocht. Du kannst den Siedepunkt wieder verringern, indem du den Druck in dem Raum absenkst, in dem du dich befindest. Du kannst den Topf verändern, so dass er mehr Hitze an den Raum abgibt und weniger im Wasser ankommt. Aber mir erscheint es einfacher, den Herd runter zu regeln.“
Am Ende des Tages sind ja nicht das CO2 und Methan in der Luft das Problem, sondern der Temperaturanstieg, den sie auslösen. Und mit der entsprechenden Technologie haben wir Möglichkeiten, diesen Temperaturanstieg direkt zu beeinflussen, statt an der Atmosphäre der Erde herum zu spielen!
Die Temperatur der Erde hängt davon ab, wie viel Sonnenlicht sie empfängt (und wie schnell sie die Wärmeenergie wieder abstrahlt). Bereits geringe prozentuale Unterschiede des empfangenen Sonnenlichts beeinflussen die Temperatur deutlich. Wenn wir ca. 1% der Sonneneinstrahlung verhindern könnten, dann würde das die Erderwärmung stoppen.
Das Äquivalent zum Runterregeln der Hitzezufuhr an den Wassertopf ist das Platzieren reflektierender Satelliten zwischen Erde und Sonne, also in der Erdumlaufbahn. Sie reflektieren die Sonnenstrahlung, welche auf sie fällt, zurück ins Weltall, womit die Erde diese Energie und Wärme nicht mehr bekommt.
Statt diesen Aufwand nur zur Klimabeeinflussung zu betreiben, kann dies sogar ein gewinnbringendes Unterfangen sein: Statt alles Licht zu reflektieren, kann es als Mikrowellenstrahlung zu Bodenstationen auf der Erde gebeamt werden, als Energiequelle.10 Und der Energiemarkt ist jedes Jahr Billionen an Dollar wert.
Die Satelliten sind keine einmal veranlasste Klimaveränderung, mit deren auch unbeabsichtigten Folgen wir ab dann leben müssen, sondern sie sind steuerbar. Wir können also auf veränderte Anforderungen reagieren, zum Beispiel falls ein Vulkanausbruch die Erde abkühlt. Wir senken die Energiekosten auf der Erde, was fossile Energien viel unattraktiver macht (und auf diesem Weg den Ausstoß von Treibhausgasen reduziert). Und wir fangen an, Weltrauminfrastruktur aufzubauen, um die Baukosten dieser Satelliten weiter zu senken. Zum Beispiel, um die benötigte Aluminiumfolie oder Solarmodule auf dem Mond oder auf Asteroiden herzustellen, statt all dieses Gewicht von der Erde aus starten zu müssen. Und wie wir gleich sehen werden, ist diese Weltrauminfrastruktur noch für viele andere Dinge gut als nur für die Herstellung von reflektierenden und Energie erzeugenden Satelliten.11
Das wäre eine Lösung, die nicht auf Verzicht hinausläuft, sondern aus dem Problem heraus eine positive Vision entwirft, die das Problem löst und eine ganze Reihe weiterer Vorteile aus dem betriebenen Aufwand generiert.